Wolfgang Herbert Eine Yakuza-Kurzgeschichte Yakuza ist mittlerweilen ein Wort, das
international geworden ist und unübersetzt in viele Sprachen Eingang
gefunden hat. Es bezeichnet die Organisierte Kriminalität (= OK) in ihrer
japanischen Variante. So wie "Mafia" ursprünglich das
Organisierte Verbrechen in Sizilien designierte, unterdessen aber transnational
und generisch für alle möglichen Spielarten von OK verwendet wird,
wird die Yakuza auch gerne als japanische Mafia bezeichnet. Yakuza ist somit
ein Ausdruck für die OK a la japonaise als "Institution" wie
auch für den einzelnen Gangster. Etymologisch betrachtet, leitet sich das
Wort aus dem Argot der Glücksspieler ab. Unter ihnen benannte es eine Kartenkombination,
die auf den ersten Blick gut aussieht. Acht-neun-drei heißt Yakuza
ursprünglich, was zusammenaddiert zwanzig, aber in der Quersumme null
ergibt. Bestes Blatt im Spiel wäre einundzwanzig. Nun soll dieser Begriff
metaphorisch auf die Gangster übertragen worden sein, die auch wissen,
sich mit auffallender Kleidung und protzigem Gehabe einen guten Anschein zu
geben, aber im Grunde "gesellschaftliche Nullen, wertlos" seien. Der Ausdruck Yakuza weist also auf eine der
beiden historischen Traditionslinien der japanischen OK hin. Glücksspieler
oder bakuto bilden deren eine, tekiya oder yashi, ambulante
Händler, Quacksalber und Schausteller, deren andere. Dazu gesellten sich
in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg Banden
"traditionsloser" Mobster, die als gurentai (etwa:
"heruntergekommenes Pack") oder etwas freundlicher als shink�
yakuza ("neu emporgekommene Yakuza")
bezeichnet wurden. Die in Japan sehr akkurat geführten Polizeidaten
zeigen, dass sich bei leichten Gewichtsverschiebungen über die
Zeitläufte, die Yakuza zu etwa je einem Drittel herkunftsmäßig
auf eine dieser drei Gruppen berufen und verteilen. Inzwischen haben sich die
Syndikate aber so weit von ihrem traditionellen Hintergrund entfernt und in
ihrem Geschäftsgebaren so diversifiziert, dass derartige Unterscheidungen
nur noch historisch interessant sind. Sie dienen eher den einzelnen Gangs zu
ihrer Mythologisierung und der Selbstzuschreibung von altersmäßiger
Ehrwürdigkeit. Wie weit die Yakuza in der japanischen
Geschichte zurückverfolgt werden können, muss wohl im Dunkel oder
Dämmerlicht der Spekulation bleiben. Manche wollen wegen einem
Glücksspielverbot aus dem siebten nachchristlichen Jahrhundert die
Existenz von illegal agierenden bakuto-Banden bis in diese frühe
Zeit zurückverlegen. Ein Jahrhundert später kann man die tekiya ihren Anfang nehmen
lassen, so man sie mit allerlei vagabundierendem Volk in Verbindung bringt.
Historisch und quellenmäßig faktisch fassbar werden die Yakuza
hingegen in der späteren Edo-Zeit (1603-1868). Aber auch hier vernebeln
Legendenbildungen die Sicht und führen zur Erfindung einer hehren
Tradition. Yakuza nehmen manchmal in Anspruch, ihre Vorfahren in den machi
yakko
zu haben. Das waren städtische Bürgerwehren gegen marodierende
Samurai (hatamoto yakko). Beide Gruppen sind aber aufgrund starker Repression
seitens des Schogunats Ende des 17. Jahrhunderts verschwunden. Auch Japan hat seine Robin Hoods in Gestalt
legendärer Briganten und Bandenführer, die in der Populärkultur
und bis zum heutigen Tag in zahlreichen historisierenden Filmen gefeiert und
verewigt wurden und werden. Dazu zählen als "Ahnherr" Banzuiin
Chobei (gestorben um 1650), ein machi yakko-Anführer und herrenloser
Samurai (rônin), weiters Kunisada Chûji (1810-50) und Shimizu no
Jirochô (1820-93). Sie waren Bosse von Glücksspielerbanden, die auch
als Arbeitsvermittler tätig waren. Dabei verhielten sie sich nicht immer
so edel und ritterlich wie die Folklore es will, da sie nicht selten den
Arbeitern über das Glücksspiel ihren Tageslohn wieder
abknöpften. Dennoch wurden sie umrankt mit Geschichten über Ehre und
Gerechtigkeit und Schutz der armen und einfachen Leute. Gewalt und Waffen
wurden natürlich nur gegen die Bösen eingesetzt und diese in Schach
gehalten. Damit wurde ein bis heute herrschender Topos geschaffen: Yakuza als
alternative Schutz- und Kontrollmacht. Von der politischen Macht wurden die Yakuza
allerdings schon früh kooptiert. Bakuto- und tekiya-Bosse wurden vom
Schogunat inspiziert und sanktioniert und die Banden über ein engmaschiges
Spitzelnetz kontrolliert. Mit der beginnenden Industrialisierung und
Modernisierung Ende des 19. Jahrhunderts bildeten sich allerlei obskure
Verflechtungen zwischen Yakuza und ultranationalen Organisationen, die auch in
der Zeit des japanischen Imperialismus und Faschismus ihre Rolle spielten. Die eigentliche Gründerzeit der
heutigen Yakuza liegt allerdings in der Phase unmittelbar nach dem Zweiten
Weltkrieg. Ein gewaltiger Schwarzmarkt und mangelnde staatliche Kontrolle boten
die Idealbedingungen für das Prosperieren des Organisierten Verbrechens.
Die "traditionellen" Yakuza stiegen in neue Geschäfte ein,
insbesondere Kreditwesen und Schuldeneintreiben, Schutzgeldinkasso, Baugewerbe,
Unterhaltungsindustrie, Prostitution und den Drogenhandel. 1963 erreichte die
Anzahl der Gangs (5.200) und der polizeilich registrierten Yakuza (rund
184.000) Rekordhöhe. Idealtypisch ließe sich die
Yakuza-Nachkriegsgeschichte wohl in folgende Perioden einteilen: 1.) 1945-50: Zeit der
Nachkriegswirren: Die Kontrolle des Schwarzmarktes ermöglicht die
Schaffung einer finanziellen und personellen Basis für künftige
Operationen. 2.) 1950-1963:
Bandenfehdenzeit. Durch starke Konkurrenz z.B. beim Schutzgeldkassieren
(Sexindustrie, Gastgewerbe, Spielhöllen etc.) kommt es zu bewaffneten
Konflikten um Territorien. Die Olympiade in Tokyo 1964 kann als Marke und
Wasserscheide gelten. In deren Umfeld zeichneten sich zwei Trends ab:
verstärkter polizeilicher Zugriff auf die OK und Beginn des hohen
Wirtschaftswachstums, in dessen Fahrtwind die Yakuza zunehmend in legale Gewerbeformen
vorstößt. 3.) 1964-70: Periode
der Razzien und Verhaftung der Leute an den Syndikatsspitzen. Mitgliederzahlen
fallen und etliche Gangs werden (vorübergehend) aufgelöst.
Anpassungsschwache, obsolet gewordene Banden verschwinden von der
Bildfläche. Die "Überlebenden" gehen gestärkt in die
die nächste Runde: 4.) 1971-1984: Zeit
der Reorganisation, Expansion und Oligopolbildung durch die
Großsyndikate. Die legalen Standbeine erlauben Operationen
außerhalb der angestammten Territorien und führen zu regelrechten
Geschäftsketten und überregionalen Yakuza-Koalitionen. Massive
Ausweitung des Amphetaminhandels erhöht ihr Kapital. Einmischungen in
zivilrechtliche Dinge wie Schuldeneintreiben, professionelles Konkursbetreiben
und sonstige private Konfliktbereinigungen seitens der Yakuza nehmen zu. Bei
letzteren gut dotierten und eigentlich der Justiz zustehenden
"Friedensrichteraktivitäten" gilt dies insbesondere für die
nächste Phase: 5.) 1985-91. Zeit der
bubble economy: Die gute
Konjunktur der achtziger Jahre kulminierte in einem künstlich
hochgetriebenen und heißgelaufenen Immobilien- und Aktienmarkt der
sogenannten Seifenblasenwirtschaft, die besonders Ende der achtziger Jahre bis
zu ihrem Platzen im zweiten Quartal 1991 dazu führte, dass die Yakuza in
die Hochfinanz einstiegen. 1985-91 kann als eigene Periode gesehen werden, in
der die Infiltration der bürgerlichen Gesellschaft und Unterwanderung der
legalen Wirtschaft (vor allem: Immobilien, Aktienspekulationen, Kreditwesen,
Banken, Bau-, Transport- und Müllgewerbe) durch die Yakuza ihren absoluten
Höhepunkt erreicht haben dürften. 6.) 1992 (bis dato)
wurde darauf mit einem Anti-Yakuza-Gesetz geantwortet, das synchron mit der
hartnäckigen Rezession für die Yakzua eine Art Eiszeit
herbeiführte, die bis heute anhält und sie zu Restrukturierungen wie
Personalabbau und Sparkurs (z.B. bei ihren elaborierten Initiationsritualen und
anderen Zeremonien, aber auch beim Ausgehen) und diversen
Anpassungsmanövern zwingt. Legale Fassadenfirmen verändern zunehmend
das Gesicht der japanischen OK. Yakuza-Büros werden in
Firmenniederlassungen umgewidmet, was die "Sichtbarkeit" der OK
verringert. Durch Medienkampagnen und Bürgerrechtsbewegungen gegen
Yakuza-Nachbarschaft macht sich in der Öffentlichkeit eine
Anti-Yakuza-Stimmung breit. Das Vorgehen der Strafverfolgungsorgane
gegen Yakuza schwankt zwischen Laissez faire und Repression. Über die
Jahre hat sich eine Art Superspiel zwischen Behörden und Unterwelt
herausgebildet, in dem jeder Akteur seinen ihm zugewiesenen Spielraum hat. Wird
diese Art Sozialvertrag eklatant gebrochen, muss ein neues Gleichgewicht
ausgehandelt werden. Entgegen ihren Beteuerungen ist die Polizei nicht wirklich
an einer "Ausradierung" der Yakuza interessiert. Vielmehr geht es ihr
darum, sie möglichst effektiv zu kontrollieren. Im Jahr der Tokyoter
Olympiade hatte sie aus Imagegründen und unter medialem Druck begonnen, in
bis in die siebziger Jahre mehrfach ausgerufenen konzertierten Aktionen Yakuza
vermehrt zu verhaften, und besonders deren Hierarchiespitze hinter Gitter zu
bringen. Beschlagnahme von in Japan generell illegalen Feuerwaffen und
Austrocknung der Einnahmequellen galten und gelten als Pfeiler der
OK-Bekämpfung. Deren Verschärfung hat nicht zuletzt den Showeffekt,
dem Ausland vorzuführen, dass man es diesmal ernst meint.
Schließlich waren in alle großen politischen Skandale der
Nachkriegszeit Yakuza involviert und deren Beziehungen zu rechtskonservativen
Segmenten der LDP (Liberaldemokratischen Partei) sind bekannt. Vormals galt das
als Machtbeweis, heute versuchen Politiker ihre (nichtsdestoweniger
vorhandenen) Yakuza-Beziehungen zu kaschieren, da sie um ihr Ansehen besorgt
sind. Die Verhaftung der Yakuza-Bosse in den
sechziger und siebziger Jahren führte dazu, dass die Bandenspitze
zunehmend isoliert und "geschützt" wurde durch ein
ausgeklügeltes Lizenzgebührensystem. Dabei bezahlen in mehrfacher Ordnung
der Mutterorganisation affiliierte Banden monatliche Raten an die hierarchisch
höher stehenden Gruppen für
das Privileg einen "Markennamen" zu führen. Das hatte zur Folge,
dass die drei größten und bekanntesten Syndikate heute (Daten: Ende
1998) mehr als zwei Drittel aller polizeilich registrierten Yakuza unter sich
versammeln: die Yamaguchi-gumi (Hauptquartier: Kobe) mit rund 34.400
Mitgliedern 43,2 % aller Yakuza, die Sumiyoshi-kai (Tokyo) mit ca. 11.100
Mannstärke 13,7 % und die Inagawa-kai (Tokyo) mit 9.200 Anhängern
11,3 %. Dazu gesellt sich als vierte Großmacht die stolz bis in die
Edo-Zeit zurückreichende und ein paar tausend Mann starke Aizu kotetsu-kai
(Hauptsitz: Kyoto). Die "großen Vier" sind überregional
tätig und halten auch so genannte Yakuza-Gipfeltreffen ab, um
territoriale, ökonomische und andere potentielle Interessenskonflikte per
Verhandlung (Yakuza-"Diplomatie") und nicht wie traditionell
üblich per Gewalt zu lösen. Die Zahl der Bandenfehden und
Schießereien hat in den letzten Jahren nach dem Sezessionskrieg zwischen
der Yamaguchi-gumi und der abtrünnigen Ichiwa-kai Mitte der achtziger
Jahre auch stetig abgenommen. Zunehmend sind wirtschaftliche Interessen und
Geldmachen in den Vordergrund getreten. Der Geist des Kapitalismus hat die
Yakuza gründlich und nachhaltig infiziert. Die Polizei schätzt das
Jahreseinkommen (1989) der Yakuza auf 1,3 Billionen Yen, manche Experten halten
dagegen ein Mehrfaches dessen für realistischer. Das Anti-Yakuza-Gesetz, das 1992 in Kraft
getreten ist, verdeutlicht, welche Geschäftsbereiche sich die japanische
OK erschlossen hat. Das Gesetz macht die so genannte Designation eines kriminellen
Syndikats möglich und verbietet diesem dann folgende Dinge: im
wesentlichen geht es um "erpresserische Forderungen" bei Schutzgeld,
Spenden, Schweigegeld, Warenkauf, Subkontraktierung, Subventionen,
Versicherungsberatung = -betrug, Zwangsdelogierung zum Zwecke der
Bodenpreistreiberei und außergerichtlicher Intervention in
zivilrechtliche Angelegenheiten. Ein Jahr später schon wurde im
Gleichschritt mit neuen Entwicklungen eine Novelle des Gesetzes verabschiedet,
das nun neu unter Strafe stellt: Rabbatforderungen bei Wechseln, Verlustersatz
bei Wertpapiergeschäften, Aktienmanipulationen, Kreditwucher, Zahlung von
Geld bei erzwungener Grundstücksräumung etc. Wir befinden uns hier
auf lukrativem Terrain, das allerdings unter den Yakuza auch nur von den oberen
Zehntausend und den Großsyndikaten besetzt wird. Diese verfügen
über entsprechendes Knowhow, Beziehungen zu Politik und Wirtschaft und
Kapital. Kleine Banden leben immer noch von traditionell-parasitären Einkommensformen
wie Prostitution, Drogen- und Waffenhandel, Glücksspiel oder dem illegalen
Mitschneiden an staatlich monopolisierten Wetten. So gesehen, zeichnet sich
eine Polarisierung ab zwischen modernen, adaptionsstarken, auf nationaler Ebene
aktiven Großsyndikaten und diesen angegliederten, konventionell
operierenden lokalen Banden. Die Gesetzesnovelle des Jahres 1993 ist
hier von Interesse, weil in ihr explizit vom Tätowieren die Rede ist.
Unter Strafdrohung geriet hier die Nötigung zur Hautdekoration bei nicht
volljährigen (in Japan: unter 20-jährigen) Yakuza-Kandidaten. Dies
verweist sowohl auf die Verbreitung des Hautstichbrauchs unter Yakuza als auch
darauf, dass ein großflächiges Tattoo immer noch als Stigma gesehen
wird, das einen Rückstieg in die bürgerliche Welt erschwert. Yakuza
haben ihren eigenen, unverwechselbaren Stil, mit dem sie ihren Beruf klar- und
darstellen. Nicht unbeeinflusst durch Hollywood-Gangsterfilme lieben sie
schrille, dandyhafte Kleidung in geschmacklosen auffallenden Farbkombinationen,
weiァe
oder schwarz Lackschuhe, Sonnenbrillen, Hawaiihemden, neuerdings
Designer-Anzüge. Manche Bosse kommen wie Michael Douglas im Streifen Wallstreet daher. Ondulierte
Haare waren vormals Ausweis des Yakuza-Seins, heute ist ein krasser
Bürstenhaarschnitt in Mode (den trägt nämlich vorbildhaft der
seit 1989 fünfte Boß der Yamaguchi-gumi, Watanabe Yoshinori). Zu den
weiteren Markenzeichen zählen neben Statussymbolen wie Rolex und
Luxusimportkarossen ostentatives Gehabe, Spreizschritt, rauhe Sprache (Argot)
und abgekappte Fingerglieder und eben Tattoos. Die
Fingercision (yubitsume
oder enkozume) wird im
Regelfalle als Strafsanktion nach verpfuschten Aktionen auferlegt. Dabei wird
das erste Glied des linken kleinen Fingers abgetrennt. Heutzutage tut es auch
die Zahlung einer Geldbuァe. Daten aus dem Jahre 1971 geben an, daァ 42 % der bakuto, 45 % der gurentai und 30 % der tekiya ein Fingerglied fehlte. 1994 sollten nur noch einem
Drittel aller Yakuza eine Fingerkuppe fehlen. Übrigens wurde der Zwang zur
Fingeramputation bei Minderjährigen 1993 ebenfalls strafbar gemacht. Rund
zwei Drittel der Yakuza waren 1971 tätowiert. Schon mit dem Aufkommen des
Hautbildbooms Anfang des 19. Jahrhunderts galt das Tragen einer
Tätowierung unter bakuto als de rigueur. Die tekiya schlossen sich diesem Trend bald an. Unter ihnen, da
sie ja direkt mit Kundschaft zu tun haben, gilt als offizielle Losung, dass die
Hautverzierungen Nicht-Yakuza nicht präsentiert werden sollen. De facto
wurden und werden Tattoos von Gangstern aber gerne zur Einschüchterung
vorgewiesen. Auch in öffentlichen Bädern oder bei Schreinfesten
werden die Hautdekorationen von Yakuza stolz zur Schau gestellt. Sie sind
Visitenkarte und Passepartout. Mit
dem Gang in die Legalität und dem zunehmenden Abtauchen in den Untergrund,
d.h. wegen dem neuen Gesetz angestrebter Unauffälligkeit, nimmt jedoch die
Zahl der tätowierten Yakuza-Novizen ab. Rezente Datenerhebungen sind (mir)
nicht zugänglich, aber der Wandel in der Hautpatientenklientel der
Tätowiermeister spricht eine deutliche Sprache. Es soll auch Bosse geben,
die ihrem Nachwuchs explizit abraten, sich punzieren zu lassen, da dies eine
schwer zu überwindende Barriere zur Mainstream-Gesellschaft schafft.
Früher bezahlten sie oft und viel für die Hautmalereien ihrer
Gefolgsleute. Heute müssen diese wegen der angespannten wirtschaftlichen
Lage meist selbst in die Tasche greifen. "Es kommen nur noch die Yakuza zu
mir, die Tattoos als solche schätzen und lieben. Nicht mehr, weil ein
Hautbild zum Yakuza-Sein gehört", meint etwa Horitsune II, ein
Tätowierkünstler aus Osaka. Natürlich gibt es auch Yakuza-Paten,
die äußern, dass die Jugend von heute degeneriert und verweichlicht
sei und das Sengen und Brennen beim Einbringen der Tusche unter die Haut nicht
mehr aushielte. Festhalten läßt sich allenfalls, dass die in Japan
fälschlich kursierende Gleichung Tattoo = Yakuza zunehmend noch falscher
wird. Vielmehr und entgegen dem obigen Lamento gibt es einen veritablen,
wenngleich "kleinflächigen" Tattoo-Boom unter (jungen)
JapanerInnen, der quer durch verschiedene Berufs- und Sozialschichten geht und
auch einen allgemeinen Einstellungswandel markiert. Lang lebe die schöne
Kunst des japanischen Hautstichs! Erschienen in: Taetowiermagazin Extra 2: Japan, Mai 2000, 82-87 |