Eine kleine Geschichte
des Buddhismus im deutschen Sprachraum im Überflug
Wolfgang Herbert
gDer Buddha braucht einmal ein Gleichnis von einem Manne,
der steht an einem Ufer voll Schrecknis und Gefahr. Drüben ist das Gestade
der Unangefochtenheit. Es gelingt ihm unter Mühen, aus Holz und Schilf ein
Fahrzeug zu richten, das ihn glücklich hinüberträgt. Da fragt
der Buddha die Mönche: ewäre der Mann gescheit, wenn er das
Floß, weilfs ihn gerettet hat, behielte? es auf den Rücken
nähme und landeinwärts trüge?f – eNein, Erhabenerf,
antworten die Mönche, eer soll es dem Strom überlassen, der hinter
ihm liegt.f – eSo ist es auch mit der Lehref, schließt der Buddha,
esie ist zum Entrinnen tauglich, nicht zum Festhaltenf. – c Alles Sagbare
an ihr ist Therapie, ein Genesener bedarf ihrer nicht. Wer den Weg wandelt,
erfährt die Lehre selbst als ein sich Wandelndes.h (Zimmer 1973:268)
1. Facetten des Buddhismus
heute: Professionalisierung und Lebensstilisierung
Am
Beginn des 21. Jahrhunderts hat der Buddhismus im deutschen Sprachraum bleibend
Fuß gefasst und ist Teil einer pluralisierten Religionslandschaft
geworden.
In einer Art Bestandsaufnahme zum 50-jährigen Jubiläum der Deutschen
Buddhistischen Union (DBU) wird von einer gProfessionalisierungh bis in alle
Ecken gesprochen: gDie Professionalisierung ist etwa am Erscheinungsbild
buddhistischer Aktivitäten ablesbar: Bescheiden gestaltete
Buddhismusblättchen entwickelten sich zu anspruchsvollen Magazinen;
einstige heimelige Treffen von DBU- und Mitgliedervertretern, mit
Küchendienst für Teilnehmer und Unterbringung im 10-Bettenschlafsaal,
veränderten sich in den 1990er Jahren zu professionell organisierten
Großveranstaltungen mit mehreren hunderten bezahlenden Teilnehmern/innen.
Eine Vielzahl buddhistischer Verlage wurde ins Leben gerufen. In die
Ausstattung der Zentren wurde investiert, eigene Webseiten aufgeschaltet.h
(Baumann 2005:45-6).
Der
Buddhismus hat ein gutes Image, das tüchtig bis inflationär
vermarktet wird. Buddhistische Devotionalien bergen einen symbolischen Mehrwert
als (imaginierte) (Zu)Träger von Frieden und Glück.
Buddha-Darstellungen haben bis in die Werbung Eingang gefunden und sind zu
Wohlfühldekor und Nippes verkommen. Sie finden sich z.B. in
Möbelkatalogen, Restaurantsnischen ebenso wie auf Teeverpackungen. Die
Kommerzialisierung nimmt alles in ihren Griff: gNicht nur Informationen zum
Thema Buddhismus sind im Angebot; entwickelt hat sich auch ein Markt für
Ritual-Gegenstände, Meditationszubehör und Freizeitgestaltung mit buddhistischem
Flair. Beim Rainbow-Spirit-Versandhaus und in den Läden der
Geschäftskette Himalaya sind Buddha-Statuen, Räucherwerk,
Klangschalen sowie als buddhistisch deklarierte Glücksbringer
erhältlich. c Deutlich wird, daß Bildnisse des Buddha, Klangschalen
und dergleichen mehr zu Gegenständen des Lifestyles werden. Sie sind
positiv besetzt; mit ihrer Hilfe kann man sich selbst der eigenen positiven
Gesinnung vergewissern und diese Gesinnung zugleich seiner Umwelt
demonstrieren.h[1]
(Prohl 2002:195). Bis dorthin war ein weiter Weg:
2. Prolegomena zur
deutsch(sprachig)en Rezeptionsgeschichte
Interessant
ist, dass die Rezeption des Buddhismus im deutschen Sprachraum die historischen
Entwicklungen nachzeichnet: waren im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts der
Pâli-Kanon und Theravâda, somit die ältesten Traditionen, im
Brennpunkt des Interesses, so wurden ab Mitte des 20. Jahrhunderts dann
Richtungen des Mahâyâna eingeführt. Schließlich wurde ab
den 1970er Jahren der tibetische Vajrayâna, das historisch jüngste
gdritteh Fahrzeug, populär. Mit der steigenden Praxis-Orientierung lag
rezent vipassanâ, eine Meditationsform des Theravâda, im Trend,
womit der Kreis wieder geschlossen ist: heute sind (fast) alle Schulen des
Buddhismus in den deutschsprachigen Ländern präsent und aktiv.
@@@@@ Im Falle des deutschen Sprachraumes läßt sich
konstatieren, dass es sich gum geine relativ geschlossene
Interpretations-Traditionh handelt, deren Exegeten des Buddhismus gin der
Tradition der deutschen Philosophie und Kultur [standen], was ihrem Werk eine
spezifische Note verleiht.h (Zotz 1986:5). Hier kann man von den frühen
Begegnungen mit indischem Geistesgut im Gefolge des militärischen
Vordringens Alexanders des Großen in das nordwestliche Indien (327-325 v.
Chr.) und vereinzelten kleinen Meldungen wie bei Marco Polo im 13. Jh. absehen.
@Mit der massiven Ausbreitung des Islam im 7. und 8.
Jh. war der Kontakt nach Indien weitgehend unterbrochen, der Buddhismus selbst verflüchtigt
sich nach Zerstörung von Nalanda 1197 in seinem Mutterland. Die
Fühlungsnahme mit dem Buddhismus begann in Deutschland in der Neuzeit. Um
1500 war der Seeweg nach Indien für die Europäer durch Vasco da Gama
wieder erschlossen und Gewürzhandel und die angestrebte Christianisierung
Asiens waren alsbald treibende Kräfte eines intensivierten Kontaktes. Von
den Jesuitenmissionaren werden ab dem 16. Jh. Reportagen aus Indien, China und
Japan geliefert, die zu den ersten Quellen des Buddhismusbildes in Deutschland
zählen.
@@@@@
@@@@@ Martin Baumann (1995a) gliedert die Geschichte des Buddhismus
in Deutschland in sechs idealtypisierte Phasen:
@
1.) 17. bis 19. Jh.:
Kontaktaufnahme und Kenntnisnahme
2.) 1888-1916: Erste
Sammelbewegungen
3.) 1918-1942: Deutsche
Buddhologie
4.) 1946-1964: Wiederaufbau
und Neuanfänge
5.) 1964-1977:
Meditations-Buddhismus
6.) 1977-1991: Aufschwung des
Tibetischen Buddhismus
Diesen
chronologischen Schnitten entlang möchte ich synoptisch und
schlaglichtartig die Entwicklungen und Marksteine der Einführung des
Buddhismus in Deutschland, Österreich und in der Schweiz nachzeichnen.
Dabei gehe ich zunächst von der Repräsentation des Buddhismus durch
ausgewählte Dichter und Denker aus, stelle dann erste Repräsentanten
vor, die sich zum Buddhismus bekennen und muss mich mit zunehmender Nähe
zur Gegenwart und der damit einhergehenden Ausbreitung auf die Erwähnung repräsentativer
Organisationen beschränken.
3. 17. bis 19.
Jahrhundert: Kontaktaufnahme und erste Nachrichten
3.1. Die Philosophen
@@@@@@@ gDie Aussagen
der Philosophen spiegeln nicht nur die Geschichte der Buddhismus-Rezeption, sie
prägen deren weiteren Gang, indem sie von Philologen, Übersetzern und
Historikern übernommen wurden, deren Arbeit ihrerseits auf Philosophen
wirkte. Der Prozeß gegenseitiger Beeinflussung brachte Urteile hervor,
die bis heute Textübertragungen und Darstellungen beeinflussen. Damit besitzt
der Blick in die Rezeptionsgeschichte Relevanz für jeden mit Buddhismus
Befaßten. Zwar dient er keinem unmittelbaren Faktengewinn, ergänzt
aber die Quellenarbeit, indem er Schlüsse auf Ursachen möglicher
Fehler erlaubt, die auf stillschweigenden Voraussetzungen eigenen Wahrnehmens
beruhen.h (Zotz 1996:266-7)
@@@@@ Die erste Phase
setzt ein mit den Anfängen einer Beschäftigung mit dem Buddhismus,
wie sie bei Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) gesehen werden können,
der ihn in seiner Theodizee als eine Lehre vorstellt, in der alles gauf das
Nichts als das erste Prinzip aller Dinge zurückzuführenh sei (zitiert
in: Baumann 1995a:44), was bei Immanuel Kant (1724-1804) bei der Beschreibung
der gSekte des Foh (= Buddha) dann paraphrasiert wiederkehrt: gEs ist eine
Meinung unter ihnen, daß das Nichts der Ursprung und das Ende aller Dinge
sei ...h (in: Lütkehaus 2004:77; gleicherweise auch bei Hegel [1961:250]:
gc Grunddogma, daß das Nichts das Prinzip aller Dinge seih). Erste
Berichte stammten von Asien-Missionaren und diese wurden von ihren Nachfolgern und
Reisenden laufend ergänzt. Der Pionier der China-Mission, der
hochgebildete und von Renaissance und Humanismus geprägte Jesuit Matteo
Ricci (1552-1610) hatte den Buddhismus, nachdem er von den Doktrinen des Nicht-Selbst
und der universalen Unbeständigkeit vernommen hatte, als nihilistisch und
bar jeglichen positiven Wertes eingeschätzt (Batchelor 1994:171).
Leibniz
hat auch auf diese Quelle zurückgegriffen und damit eine lange
nachwirkende Fehlinterpretation (Buddhismus = Nihilismus) eingeleitet. Mit dem
querverbindenden Verweis auf eine Strömung der Mystik des 17. und 18.
Jahrhunderts hat Leibniz noch eine andere später mehrfach verfolgte
Fährte gelegt, die Beachtung verdiene, gweil die Gleichung Buddhismus =
Quietismus für die gesamte folgende Rezeption wegweisend ist.h
(Lütkehaus 2004:16). Eine weitere folgenreiche Denkfigur ist auch bei
Leibniz schon angelegt und wird immer wieder aufgegriffen: Buddhismus als
Pantheismus (mal nach Art des Spinoza, mal mit Verweis auf die Mystik).
Bei
Friedrich Schlegel (1772-1829), der quellen- und sanskritkundig war, findet
sich nach seiner gindomanen Phaseh und mit seiner Konversion zum Christentum
eine – wohl der Selbstvergewisserung dienlich sein sollende –
Distanznahme zum indischen Denken, insbesonders in seiner Lehre des gAlles ist
Einsh. Diese münde bei den Buddhisten zu einem gAlles ist Nichtsh. Und,
gwo der ebloß abstrakte und negative Begriff des Unendlichenf alles
Endliche, Begrenzte, Individuelle vernichtet hat, der Schritt vom leeren
inhaltslosen eEinenf zum eNichtsf die enatürlichef Konzequenz ist.
Nihilismus ist für Schlegel die Wahrheit des Pantheismus. Und
buddhistischer Nihilismus ist negativ vollendeter Pantheismus.h (Lütkehaus
2004:32).
Von
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) wird das positiv gewendet (womit er
ausnahmsweise mit seinem gWidersacherh Schopenhauer übereinstimmt), indem
er die christliche Mystik als Analogon heranzieht und die Vereinigung mit dem
Nichts in der Meditation als Vereinigung der Seele mit Gott interpretiert:
gInsofern die Stille des Insichseins das Vernichtetsein alles Besonderen, das
Nichts ist, so ist für den Menschen ebenso dieser Zustand der
Vernichtung der höchste und
seine Bestimmung ist, sich zu vertiefen in dieses Nichts, die ewige Ruhe, das
Nichts überhaupt, in das Substantielle, c die Heiligkeit des Menschen ist,
daß er in dieser Vernichtung, in diesem Schweigen sich vereint mit Gott,
dem Nichts, dem Absoluten.h (Hegel 1969:385-6). Hegel charakterisiert den
Buddhismus als die gReligion des Insichseinsh und richtet ihn sich anhand einer
beschränkten Zahl von Quellen nach seinem eigenen Schema und ihm
geläufiger Begrifflichkeit zurecht: gFreilich bleibt auch diese Deutung im
eurozentrischen Horizont, insofern Hegel mit eSeelef und eSelbstf, mit dem
eWesenhaftenf, eSubstantiellenf und eUnveränderlichenf eben jene
Kategorien geltend macht, die im Buddhismus verabschiedet sind. Vor allem
deutet er das von ihm nun positivierte Nichts nach dem Muster der europäischen
Mystik wieder in den Gott um, der Ein und Alles ist, indem er Nichts zu sein
scheint. Die eunio mysticaf als eigentlicher Gehalt des eNirwanaf und froheste
Botschaft des Buddhaismus!h (Lütkehaus 2004:43).
Lütkehaus
hat mit seiner Anthologie für diese erste Rezeptions- und
Kontaktaufnahmephase ein feines kleines Lesebuch vorgelegt, das ein spannendes
Kapitel einer geistesgeschichtlichen Begegnung dokumentiert und zeigt, wie
deutsche Denker, so scharfsichtig sie sonst auch gewesen sein mochten, den
Buddhismus, den sie gewissermaßen nur vom Hörensagen kennen, in
ihren Horizont hereinholen und kühn bis aberwitzig mit ihren eigenen
Spekulationen und Phantasien ausschmücken. Als Beispiel sei hier nur auf
Hegel (1770-1831) verwiesen: gSinnfällig und nicht ohne eine Prise Komik
stellt sich für ihn das eVersenktsein in die Innerlichkeitf im Bilde des
meditierenden Buddha dar: edenkende Stellung, Füße und Arme
übereinandergelegt, so daß eine Zehe in den Mund geht, - dies
Zurückgehen in sich, dies an sich selbst Saugen.f Verständlich,
daß sich ein ordentlicher preußischer Staatsphilosoph von solch
virtuoser Heilsgymnastik überfordert sieht. Der Buddha hat sein Repertoire
sozusagen um das Lutschen am Schnuller der Erleuchtung erweitert.h
(Lütkehaus 2004:42). Glasenapp vermutet, dass sich da Hegel gein Bild des
Knaben Krishna mit dem des meditierenden Vollendeten vermischth habe (Glasenapp
1960:56) – der maßlosen Phantasie und Träumerei also, der die
Inder laut Hegel verfallen seien, hat er hier wohl selbst ihren Lauf gelassen. Für
die negative Einstellung Hegels gegenüber Indien macht Glasenapp geltend,
dass er stark von englischen Quellen abhängig war, die die unerquicklichen
Seiten der indischen Realität drastisch (über)zeichneten und
Korruption, Sittenlosigkeit, Kastenschranken, Aberglauben, die notorisch
kolportierte Witwenverbrennung etc. im Sinne einer politischen Propaganda
präsentierten, um ihre Kolonialherrschaft zu rechtfertigen (cf. Glasenapp
1960:47 u. 57). Hegel selbst war der Auffassung: gDie Engländer c sind die
Herren des Landes, denn es ist das notwendige Schicksal der asiatischen Reiche,
den Europäern unterworfen zu sein ch Und: gDie Weltgeschichte geht von
Osten nach Westen, denn Europa ist schlechthin das Ende der Weltgeschichte,
Asien der Anfang.h (Hegel 1961:216 u. 168). Hier findet sich in nuce, was aus heutiger Sicht eindeutig als
gkolonialistischh und geurozentrischh denunziert würde: und doch findet
sich dieses Denken als (unbewusste) Matrix bei Gegenwartsphilosophen, die sich
mit nach Europa transportiertem gasiatischemh Gedankenfrachtgut befassen: und
das ist dann mit der Markierung ghegelianischh gemeint (siehe Abschnitt 9
dieses Aufsatzes).
@@@@@ Als Illustration historischer Ironie sei angeführt, dass
der tibetische Buddhismus als degenerierte Zerrform eines Parallel-Vatikans
vorgestellt wurde, bei Kant entpuppe er sich gals ein in das blindeste
Heidenthum ausgeartetes katholisches Christentumh und Johann Gottfried Herder
(1744-1803) schließt sich hier an. Es seien gdie rituellen und
hierarchischen Ähnlichkeiten des Lamaismus mit der epäpstlichen
Religionf, die Herders Allergien motivieren. Lamaismus ist die buddhistische
Form des Katholizismus.h (Lütkehaus 2004:20 u. 24). Gerade diese Form des
Buddhismus gehört aber heute im deutschen Sprachraum zu den beliebtesten
und am besten gedeihenden Richtungen. Herder hat indessen auch einen positiven
Aspekt gesehen: gAuch daß diese Religion des Shaka (d.h. Buddha) eine Art
Gelehrsamkeit und Schriftensprache unter das Bergvolk c gebracht hat, ist ein
Verdienst für die Menschheit ch (zitiert in Glasenapp 1960:21).
Außerdem hat sich Herder mit geradezu gliebevollem Verständnis c in
die indische Kunst versenkt c, und dies zu einer Zeit, in der anderen
Vertretern des deutschen Geisteslebens c der Sinn für ihr Wesen noch nicht
aufgegangen war.h (Glasenapp 1960: 23-24).
@@@@@ Im 18. Jh. kam es zu den ersten direkten Kontakten mit
Buddhisten: Wolgadeutsche Missionare verbrachten längere Zeit in der
Kalmükensteppe und lernten dort einen tibetisch geprägten Buddhismus
kennen. Konvertiten gab es wenige, aber einen bedeutenden Wissenschaftler
brachte die Kalmükenmission hervor: Isaak Jakob Schmidt (1779-1847). Er
lernte Kalmükisch, Mongolisch und Tibetisch, letztere zwei Sprachen konnte
man schon ab 1882 an der Universität Leipzig erlernen – auch eine
späte Nebenwirkung der Verbindung der Herrnhuter Mönche mit den
mongolischen Völkern Russlands. Schmidt hatte zwischen 1832 und 1837 in
kalmükischen Gemeinschaften gelebt und gilt als Vater der russischen
tibetischen und mongolischen Studien. Er wurde 1829 Mitglied der Russischen
Akademie der Wissenschaften und seine Schriften wurden auch von Schopenhauer
eifrig gelesen (Batchelor 1994:292).
3.2. Arthur Schopenhauer
@@@@@ Die für die Kenntnisnahme des Buddhismus wohl
einflußreichste Einzelperson dürfte im deutschen Sprachraum Arthur
Schopenhauer (1788-1860) gewesen sein. Er hat sich gwie kein anderer c die
größten Verdienste um die Verbreitung der Kenntnis indischer
Weisheit im Abendlande erworben. Niemand hat mit so edler Begeisterung wie er
immer wieder auf die geistigen Schätze des Gangeslandes hingewiesen,
niemand hat ihnen durch seine Schriften so viele Freunde im Westen erworben wie
er.h (Glasenapp 1960:99). Schopenhauer wirkte auf Friedrich Nietzsche und
Richard Wagner ein und war für viele spätere deutsche Buddhisten die
Eingangslektüre und der erste Wegweiser in Richtung Buddhismus.
Pessimismus,
asketische Weltabkehr und Mitleidsethik sind Grundakkorde Schopenhauerfschen
Denkens, die für ihn mit den Lehren des Erwachten resonieren und lange in
der deutschen Buddhismus-Rezeption nachklingen. Er hatte den Buddhismus als die
bedeutendste indische Tradition erkannt, wenngleich er zur
Vedânta-Philosophie ghauptsächlich nur Formulierungsunterschiedeh
sah, für ihn ist gdas buddhistische Nirvâna lediglich eine andere
Formulierung einer Idee des Vedântah (Zotz 1986:57 und 58), da in
letzterer die Erlösung im Sinne eines vollständigen Eingehens der
Einzelseele in den göttlichen Urgrund allen Seins, das Brahm(an) im Grunde
mit dem Verlöschen ins Nirvâna übereinstimme, nur dass dieses
im Buddhismus vornehmlich im Sinne einer via negativa beschrieben werde. Die beiden zugrunde liegende
nicht-duale Philosophie läßt eine derartige Interpretation nicht als
zu abwegig erscheinen und ist in der Folge auch immer wieder unternommen
worden. Die Verwandtschaft mag so auf den Punkt gebracht werden: gDie Upanischaden
und der Buddhismus gehören zum gleichen spirituellen Genus; sie
unterscheiden sich als Spezies; und die differentia bildet die Akzeptanz oder
Ablehnung des âtman (permanenter Substanz).h@(Murti
2006:20).@
Die
Quellenlage war für Schopenhauer noch eher dürftig und er hat z.B. im
Falle der Upanischaden trotz direkter neuerer Übersetzungen aus dem
Sanskrit bis an sein Lebensende auf eine lateinische
Sekundärübersetzung zurückgegriffen. Diese von Anquetil Duperron
erstellte Übertragung (Oupnek'hat 1801-2) ging auf eine persische Übersetzung von fünfzig
Upanischaden des Dârâ Shukôh zurück. Letztere ist 1657
unter dem Titel Sirr-i Akbar ("Das große Geheimnis")
fertiggestellt worden. Vom "Oupnek'hat" kursierten wiederum deutsche
Tertiärübersetzungen. Detail am Rande: "Die Rezeption des Sirr-i
Akbar bzw. des lateinischen Oupnek'hat repräsentiert c die Kulmination und zugleich das
Ende islamischer Vermittlung indischen Denkens an das Abendland." (Halbfass
1981:51). Beim Buddhismus hat Schopenhauer die Heilslehre des frühen
gkleinen Fahrzeugesh privilegiert. Die philosophisch tiefgründigen
Spekulationen des Mahâyâna waren ihm noch nicht zugänglich,
daher konnte er gvon seinem Standpunkt aus annehmen, die Lehre des
eSiegreich-Vollendetenf sei aus der der Upanishaden durch Ausscheidung
mythologischer Fiktionen hervorgegangen und er selbst habe ihr
gewissermaßen erst das wahre philosophische Fundament gegeben.h
(Glasenapp 1960:97).@
@@@@@ Schopenhauer sah ein beliebtes romantisches Motiv wiedergebend,
Indien als gLand ältester und ursprünglichster Weisheit, von dem die
Europäer ihre Abstammung herzuleiten haben, von dem sie in
maßgeblicher Weise beeinflußt worden sind, hinter das sie aber auch
zurückgefallen sind. Das Christentum hat nach Schopenhauers Meinung
eindisches Blut im Leibef, insbesondere insofern es sich gegenüber dem
Judentum abhebt, d.h. in seinen weltverneinenden, asketischen und
pessimistischen Tendenzen. ... Auch in der ägyptischen Religion, im
Neuplatonismus usw. meint er indische Elemente zu finden.h (Halbfass 1981:130).
In seiner eigenen Philosophie erkennt er altindische Denkmotive wieder im Sinne
einer überzeitlichen und nicht an historische und geographische
Situationen gebundenen Wahrheit. So kann er selbstbewusst konstatieren:
gBuddha, Eckhart und ich lehren im wesentlichen dasselbe. c Eckhart in den
Fesseln seiner christlichen Mythologie. Im Buddhismus liegen dieselben Gedanken
unverkümmmert durch solche Mythologie, daher einfach und klar, soweit eine
Religion klar sein kann. Bei mir ist die volle Klarheit.h (zitiert in: Halbfass
1981:132). Das altindische Denken ist aber für ihn nichts Überholtes
und Hinter-uns-Liegendes oder gAufgehobenesh im Hegelfschen Sinne, sondern aktuell
und wirkmächtig. gEs bietet sich als ein in mancher Hinsicht
überlegenes Korrektiv und als Alternative zu den nach Schopenhauers
Meinung durch das Vorherrschen des christlich-jüdischen, d.h. des
theistisch-personalistischen Geistes herbeigeführten Einseitigkeiten und
Irrgängen der abendländischen Tradition.h (Halbfass 1981:133).
3.2.1 Exkurs:
Orientalismus und Anti-Semitismus
Schopenhauer
hat die zeitgenössische Literatur zur indischen Geisteswelt eifrig
studiert und nennt neben Spencer Hardy (A Manual of Buddhism, 1853) namentlich zwei Gelehrte: Burnouf und de
Körös. Das Vordringen des Buddhismus in die Kultur Europas des 19.
Jahrhunderts ist@unverbrüchlich mit Brian Hodgson, einem
Angestellten der East Indian Company in Nepal, verbunden. Er kam in den Besitz
von etwa 400 bisher unbekannten buddhistischen Manuskripten in Sanskrit und
Tibetisch. Er schickte sie nach Calcutta, London und Paris. Auf diese Weise kam
Eugène Burnouf (1801-52) in den Besitz einer Reihe von
Originalschriften, deren Übersetzung ins Französische unter seiner
Leitung bewerkstelligt wurde. Diese Arbeit wie auch sein Buch Introduction a
l'histoire du bouddhisme indien (1844)
waren enorm einflussreich. Burnouf war der erste, der eine klare Unterscheidung
zwischen nördlichem und südlichem Buddhismus traf. Den letzteren sah
er als die reinere und ursprünglichere Form an, eine Ansicht, die dazu
führen sollte, dass im Europa des 19. Jahrhunderts das Interesse am
Theravâda-Buddhismus überwog. Mahâyâna-Schulen blieben
unbeachtet bis ins nächste Jahrhundert, da sie als korrumpierte
Spätentwicklungen angesehen worden waren (Clarke 1997:74).
Dies
obwohl ein weiterer einsamer Pionier ein Tibetisch-Englisches Wörterbuch
und eine Grammatik des Tibetischen herausbrachte, was ihn zum gVater der
Tibetologieh machte. Csoma de Körös wurde am 4. April 1784 in
Transilvanien geboren und zeigte schon in jungen Jahren ein intensives
Interesse an der Herkunft seines Volkes, der Ungarn, womit er eine gnationalistische
und philologische Agendah verfolgte, die gdie Obsession des 19. Jahrhunderts in
Bezug auf Ursprünge (von Nationen, Kulturen, Sprachen, Religionen)h
vorwegnahm (Oldmeadow 2004:128). De Körös bereiste die Mongolei,
Afghanistan, den Punjab, Kashmir und wurde schließlich von William
Moorcroft, einem Agenten der East India Company davon überzeugt, dass er
in den Bibliotheken von Lhasa wohl an die Quellen für seine Suche nach dem
Ursprung der Magyaren herankäme. Er verbrachte in der Folge neun Jahre in
Klöstern in Ladakh und Zanskar und führte ein äußerst
frugales Leben, das ganz seinen minutiösen Studien gewidmet war. 1831 ging
er nach Calcutta, wo er elf Jahre lang als Bibliothekar der Asiatic Society
arbeiten sollte, die Herausgabe seiner tibetischen Grammatik und des
Wörterbuches betreuen sowie die Katalogisierung der von Hodgson
geschickten Texte vornehmen konnte. 1842 erlag de Körös am Fuße
des Himalaya in Darjeeling einem Fieber auf einer Reise, die ihn endlich nach
Lhasa bringen hätte sollen. In einer Zeit, als die meisten am Buddhismus
interessierten Gelehrten sich nur um Pâli-Texte kümmerten, hatte de
Körös auf die Wichtigkeit eines Studiums des Tibetischen hingewiesen,
das er als gdie orthodoxe Sprache des Buddhismush bezeichnete und er
erklärte gar: gDer Hauptsitz des Buddhismus ist in Tibet.h (Fields
1992:284-5).
Obgleich
de Körös ohne Eigeninteresse sein Leben der Wissenschaft gewidmet,
wenn nicht geopfert hatte, war er in die Mikrophysik der Macht verstrickt:
Zwanzig Jahre hatte de Körös für ein bescheidenes Gehalt
für die Britische Verwaltung gearbeitet und hat damit wohl ungewollt dem
kolonialen Machtzugriff wertvolle Instrumente in die Hände gespielt. Seine
Arbeiten gdienten als philologische Äquivalente von Landkarten.h
(Batchelor 1994:237). Der prominenterweise von Edward Said unter dem
(Buch)Titel gOrientalismush (1978)
erhobene Generalverdacht, dass jedes Streben nach Wissen um den gOrienth mit
Überlegenheitsansprüchen, Unterwerfungsgesten und Machtausübung
verbunden sei, stößt mit Deutschland bzw. dem deutschen Sprachraum
auf eine bemerkenswerte Ausnahme. Das seit dem 18. Jh. wache Interesse
deutsch(sprachig)er Gelehrter an vorerst China und dann konzentriert an Indien
hat auch auf dessen Höhepunkt nie mit irgendwelchen kolonialen Interessen
an den beiden Ländern korreliert (cf. Clarke 1997:27). Dessen ist sich
Said bewusst, allerdings unterstellt er den deutschen Forschern dieselbe
Haltung wie den gKolonialistenh, nämlich intellektuelle gAutoritäth
im Sprechen über den Orient innehaben zu wollen (Said 1979:19) –
aber wird die nicht auch in anderen Wissensgebieten qua Berufsstellung erhoben?
Zudem
waren die Urteile unter deutschen Gelehrten über jene Länder und
deren Geisteswelt nie monolithisch: sie reichten von uneingeschränkter
Bewunderung (gWiege aller Weisheith u.ä) bis zu indes herablassender
Abwertung – die wohl mehrheitliche Mittellinie dürfte aber sicher
mit gRespekth umschrieben werden. Respekt, der dem Eindruck ebenbürtigen
Kultur- und Gedankenwelten begegnet zu sein, gezollt wurde. Auch die spezifisch
deutsch-romantische Suche nach Verwandtschaften und genealogischen
Gemeinsamkeiten hat mit einem eingleisigen Machtdiskurs im (Saidfschen) Sinne
einer Schaffung eines gegenpoligen Anderen zu Herrschaftszwecken vorerst nichts
zu tun.[2]
Das deutsche romantische Projekt zielte u.a. auf die Herstellung einer
(nationalen) Identität ab und diente der Suche nach einer gauthentischenh
volksverwurzelten Kultur – dies geschah wie bei Selbstvergewisserungen
dieser Façon üblich in Kontrastbildern: leider können solche
allzu leicht in Feindbilder umkippen.
Die
Vereinnahmung eines garischenh Indiens und damit sowohl rassischer wie
sprachlicher und kultureller Gemeinsamkeiten zur Selbsterkundung und Abgrenzung
seitens der gindomanenh deutschen Gelehrten ist ein Spezifikum, das schon bei
Schopenhauer deutlich wird: er hoffte, dass eine Zeit heranrücke, in der
Europa von der jüdischen Mythologie gereinigt sein werde, da es wieder für
die indische Geistigkeit, namentlich den Buddhismus reif werden würde. Er
vertrat somit gein religions- und kulturpolitisches Reformprogramm mit klarest
antisemitischer Zielrichtung. c Der neue arische Antisemitismus konnte auf dem
jahrhundertealten christlichen Antijudaismus aufbauen und sich schon bei
Schopenhauer mit diesem verbinden. Was ihm am Christentum als gut gilt, stammt
für den Philosophen aus Indien, was er ablehnt, kommt aus dem Judentum. c
Das in der Lehre des ersten Deutschen, der sich ausdrücklich als Buddhist
bekannte, angelegte rassistische Programm, wurde eines der konstituierenden
Elemente deutscher Buddhismus-Rezeption.h (Zotz 2000:80-1). Bei Schopenhauer
ist jedoch kaum eine grassischeh, gegen das jüdische Volk gerichtete
ausgearbeitete Ideologie zu finden – die Idee eines gemeinsamen garischen
Erbesh wurde erst nach ihm in diesem (Un)Sinne umgeschrieben. Schopenhauers
Stoßrichtung ging gegen den Monotheismus und den mit ihm auftretenden
Legalismus und Heilsoptimismus (Clarke 1997:78).
3.2.2 Weltanschaulicher
Pessimismus und Nihilismus: Mainländer und Nietzsche
In
der akademischen Philosophie ist Schopenhauer ein Kuriosum und ein
Außenseiter, aber nicht ohne beträchtliche Wirkungen geblieben. Den
Ende des 19. Jahrhunderts modischen weltanschaulichen Pessimismus hat er - oder
ihre Vertreter darein – initiiert. Philipp Mainländer (alias Ph.
Batz, 1841-76) gfindet im Buddhismus eine willkommene Illustration seiner Lehre
vom eWillen zum Todef. Auch Eduard von Hartmann (1842-1906), konservativer, wenig
radikal und literarisch attraktiver als Mainländer, widmet dem Buddhismus,
wie auch dem Hinduismus große Aufmerksamkeit.h Sie werden gals
eabstrakter Monismusf oder eidealistische Erlösungsreligionf, dem
jüdisch-christlichen Theismus unter dem Titel eSupranaturalismusf
nebengeordnet und dem Primitiven eNaturalismusf, der auch die Religionen der
Griechen und Römer umfaßt, übergeordnet.h (Halbfass 1981:138).
Auch hier wird die indische Denkwelt als Abspiegelungsinstrument und
Selbstdefinitionshilfe herangezogen, aber in einer Weise – wie Halbfass
im weiteren auch vermerkt -, dass diese Anerkennung verdiene und als
prinzipiell ebenbürtig angesehen wird. Hartmann tritt im übrigen
gegen einen düsteren gEntrüstungs-Pessimismush, den er auch
gMiserabilismush nennt, an und verkündet einen gaktionsfreudigen,
kraftvoll energischenh Pessimismus. gDer alte quietistisch-asketische
Pessimismus erschien in neuer Form als ein heroischer.h (Slepčević
1920:10). Damit wurde er freilich auch als Weltgefühl verträglich und
breitenwirksamer.
An
Schopenhauer und der Lehre des Buddha arbeitet sich Friedrich Nietzsche
(1844-1900) auf seine Weise ab. Beide hatten für ihn noch nicht die
Höhe seines eigenen und ihm einzig zukunftsträchtigen Nihilismus
erreicht. In der Überwindung Schopenhauers fand Nietzsche zu sich selbst.
Das indische Denken schätzte er als Vorstufe zu seinem
heraufdämmernden Pessimismus der Zukunft, den er einen "dionysischen"[3]
nennt und der in die blinde Weltliebe umkippe. Im Buddhismus sieht er eine
Weltverweigerung und einen Pessimismus, welche reifer, stärker,
aristokratischer und kultivierter erscheinen als im Christentum. Aber die
"vollendete Süßlichkeit und Milde" eines schönen Abends
genügen ihm nicht:
"Wer, gleich mir, mit
irgendeiner rätselhaften Begierde sich lange darum bemüht hat, den
Pessimismus in die Tiefe zu denken und aus der halb christlichen, halb
deutschen Enge und Einfalt zu erlösen, mit der er sich diesem Jahrhundert
zuletzt dargestellt hat, nämlich in Gestalt der Schopenhauerischen
Philosophie; wer wirklich einmal mit einem asiatischen und überasiatischen
Auge in die weltverneinendste aller möglichen Denkweisen hinein und
hinunter geblickt hat - jenseits von Gut und Böse, und nicht mehr, wie
Buddha und Schopenhauer, im Bann und Wahne der Moral -, der hat vielleicht
ebendamit, ohne daß er es eigentlich wollte, sich die Augen für das
umgekehrte Ideal aufgemacht: für das Ideal des übermütigsten,
lebendigsten, weltbejahendsten Menschen, der sich nicht mit dem, was war und
ist, abgefunden und vertragen gelernt hat, sondern es, so wie es war und ist, wieder haben will, in alle Ewigkeit hinaus,
unersättlich da capo rufend, nicht nur zu sich, sondern zum ganzen
Stücke und Schauspiele c" (Nietzsche 1984:54/ 56).
Hier
klingen die Motive der ewigen Wiederkehr und des amor fati an. Letztlich ging es Nietzsche um die
Überwindung der Religion, wobei er den Buddhismus als eine mögliche
Stufe auf dem Weg einer Neuwerdung Europas empfahl. Er sei ein Diätetikum
für geistige Genesung, dem Christentum überlegen, indem er die
Götter und Priester entthronte und auf Selbsterlösung setzte. Ein
geuropäischerh Buddhismus wird zum kulturkämpferischen (Re)Medium, um
die althergebrachte Religion auszuhebeln und zu unterminieren, wonach er selbst
auch entbehrlich wird. Nietzsche bleibt, die Umwertung aller Werte und einen
konsequenten Nihilismus, den nur ein neuer, starker Übermensch aushalte,
zu verkünden. Dieser Rezeptionsmodus, nämlich den Buddhismus als
Heilmittel gegen die christliche Malaise ins Spiel zu bringen und über ihn
eine allgemeine Kulturkritik zu betreiben und Diatriben gegen das
jüdisch-christliche Weltbild zu führen, ist auch in einem weiteren
Kontext bedeutsam: Nietzsche habe, was vielen Buddhismus-Enthusiasten entging,
gdiesen Mittel-Charakter der Lehre des Buddha auf dem Wege einer
Veränderung Europas erkannt. Er hat das ausgesprochen, was wohl
zahlreichen Mitläufern der buddhistischen Bewegung nicht klar werden durfte:
Ihr Eintreten für den Buddhismus war kein Konvertieren, sondern eine
Rebellion gegen das Europa ihrer Zeit.h (Zotz 1986:141).[4]
Auch
die schlichte intellektuelle Liebäugelei mit buddhistischen Ideen, die um
die Jahrhundertwende bis in die Zeit nach dem ersten Weltkrieg zu einer
veritablen Mode geworden war, verdankt sich - wie Poier (1990) im Detail
vorführt - kulturpessimistischen Stimmungen und einem Bündel
sozialer, politischer und geistiger Faktoren: Identitätskrise auf
individueller und kollektiver Ebene, Redefinition und Sezierung der gSeeleh,
Kritik am Christentum und Glaubensverlust, Vormarsch der Wissenschaft und
Technik, Industrialisierung, Erosion monarchischer Systeme, Suche nach einer
neuen rational begründeten Ethik und Lebensreform etc. Darüberhinaus
wurde Asien auch über seine Kunst, Weltausstellungen (1873 in Wien) und
durch Reisefeuilletons erstmals einem breiteren Publikum zugänglich und
erregte Faszination und Imagination. Die Abendlandmüdigkeit ging soweit,
dass sich z.B. Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) eine umfassende gRenaissanceh
durch den Blick auf oder aus Asien erwartete, eine Sicht, die schon früher
artikuliert und als gindische Renaissanceh etikettiert worden war:
gDie Kultur, die uns trägt,
und an der, wie an den Planken eines alten Schiffes, der gewaltigste und
anhaltendste Sturm seit einem Jahrtausend jetzt rüttelt, ist in den
Grundfesten der Antike verankert. Aber auch diese Grundfesten selber sind kein
Starres und Totes, sondern ein Lebendes. Wir werden nur bestehen, sofern wir uns
eine neue Antike schaffen: und eine neue Antike entsteht uns, indem wir die
griechische Antike, auf der unser geistiges Dasein ruht, vom großen
Orient aus neu anblicken.h (zitiert in Poier 1990:115).
@@@@@
@@@@@ Diese pathetische Mahnung ist natürlich auch auf ihre
Weise prekär. Allgemein wird – und darum handelt es sich
letztendlich - zur Instrumentalisierung Asiens und des Buddhismus in dieser
Epoche vermerkt: gDie Probleme der Buddhismus-Rezeption bestanden in dem
übersteigerten Anspruch der den Buddhismus Propagierenden bzw.
Rezipierenden, der Buddhismus müsse eine Antwort auf jedes Problem der
Gesamtkultur parat haben, er müsse Europa vor der Krise retten.h (Poier
1990:117).
Richard
Wagner (1813-1883) war durch die Lektüre Schopenhauers auf den Buddhismus
gestoßen, dem er soviel Sympathie entgegenbrachte, dass er daran dachte,
buddhistische Legendenstoffe in einer Oper mit dem Titel gDie Siegerh zu
verarbeiten. Sie blieb zwar in der Schublade liegen, dennoch haben Motive wie
Seelenwanderung und Weltentsagung in seine Musikdramen Eingang gefunden. Der
Einfluss des Wagnerfschen Flirts mit dem Buddhismus ist mithin lange
überschätzt worden, gdieser darf wohl aufgrund der – durch das
künstlerische Verfahren bedingten – Verschlüsselung und
aufgrund der Verknüpfung buddhistischer Inhalte mit anderen als relativ
gering veranschlagt werden.h (Poier 1990:43). Sein zeitweise euphorisches
Interesse an Buddhas Lehre und seine starke Persönlichkeit dürften
aber in seinem Umkreis durchaus infektiös gewirkt haben. Mit viel gutem
Willen kann man in der Schweiz davon sprechen, dass Wagner dort die ersten
buddhistischen Spuren gelegt hatte: er war in den 1850er Jahren als politischer
Flüchtling in Zürich und die bei ihm verkehrenden Intellektuellen und
Exilierten dürften wenigstens in schöngeistiger
Salongesprächsform mit dem Buddhismus bekannt geworden sein (Baumann
1998:255). Nachhaltigere Eindrücke hinterließ erst ein halbes
Jahrhundert später der deutsche Musiker und Theravâda-Mönch Nyânatiloka,
der auch über die Lektüre von Schopenhauer und theosophischen
Schriften dem Buddhismus zugeneigt wurde.
3.3. Die Theosophische
Gesellschaft
@@@@@ Die Rolle der Theosophischen Gesellschaft kann in der ersten
Vermittlungsphase kaum überschätzt werden. 1875 gegründet von
Helena Petrowna Blavatsky (1831-1891) und Henry Steel Olcott (1832-1907) und
seit 1882 mit Hauptsitz in Adyar/Madras in Südindien, versuchte sie eine
Synthese zwischen westlicher okkulter, ghermetischerh, kabbalistischer,
esoterischer, spiritualistischer und mystischer Traditionen und östlicher
Spiritualität (maßgeblich hinduistischer und
gesoterischh-buddhistischer) zu schaffen, damit die latenten psychischen
Fähigkeiten des Menschen zu entwickeln und eine universale
Brüderschaft der Menschheit aufblühen zu lassen. Blavatsky verwendete
in ihren Schriften Konzepte wie Mâyâ (gIllusion, Täuschung,
Scheinh), Karma, Reinkarnation und Meditation ausgiebig und hat diese Termini
in vielen europäischen Sprachen heimisch gemacht. Letztlich blieb ihre
Herangehensweise aber eine eklektische und in der westlichen Esoterik
verwurzelte: assimilationsfähige Konzepte aus Hinduismus und Buddhismus
wurden aufgenommen, unpassende ignoriert oder uminterpretiert (cf. Hanegraaff
1998:455). Es bleibt den Theosophen aber das Verdienst, in der Hochblüte des
Kolonialismus, als auf die Religionen der Einheimischen als atavistische Kulte
oder polytheistisch-primitive Idolatrie mit Verachtung herabgesehen wurde,
diese ernst genommen und einer vergleichenden Sichtweise unterzogen zu haben.
Diese Art komparativer Religionswissensschaft avant la lettre beruhte auf der Auffassung, dass die Religionen
letztlich konvergent und konkordant seien, auf einer Ur-Weisheit beruhten, die
als Wahrheitskern und sophia perennis
allen zugrunde liege und die es herauszuschälen gelte.
gDie
theosophische Bewegung hat sich sicherlich über ihre verschiedenen
Aktivitäten und zahlreichen Publikationen als höchst wirksam in der
Popularisierung asiatischer Religionen und philosophischer Ideen im Westen
erwiesen und in ihrer Ermutigung eines Ost-West Dialoges. Auf ihrem
Höhepunkt um die Jahrhundertwende hatte sie 400 Zweigstellen in Indien,
Europa und Amerika aufzuweisen und mit dem Jahre 1920 hatte sie eine
Mitgliedschaft von über 45.000.h (Clarke 1997:90). Obwohl ihr Einfluß
im weiteren 20. Jh. deutlich nachließ, hatte sie inspirative Wirkung in
bezug auf die Gründung vieler buddhistischer Gesellschaften.
Der
Glaube an Meister (Mahatmas), die in höheren gastralenh Sphären zum
Wohle der Menschheit wirkten und mit denen psychischer Kontakt möglich sei
und die Verkündung eines neuen gWeltlehrersh, in dem der kommende Buddha
Maitreya sein gVehikelh finden würde, gehörten zentral zum Lehrgut
der Theosophen. Der für die Rolle des Weltlehrers auserkorene Brahmanenjüngling
Jiddu Krishnamurti (1895-1986) entsagte 1929 dieser Zumutung in
spektakulärer Weise, verkündete, dass gdie Wahrheit ein wegloses
Landh sei und gnicht organisierbarh und zu der man nicht güber irgendeine
Religion oder Sekte gelangenh könne (Lutyens 1981:317). Er löste den
um ihn gegründeten Order of the Star in the East auf. Erwähnt sei dies als Kuriosum am Rande -
aber nicht zuletzt war der große Zen-Propagandist D.T. Suzuki hier
involviert (!), da ein Zweig dieses Ordens sich in den 1920er Jahren in seinem
Hause in Osaka zu regelmäßigen Treffen eingefunden hatte (cf. Sharf
1995:144).
@@@@@ Im übrigen sind viele Buddhismus-Popularisierer der ersten
Stunde der Theosophischen Gesellschaft nahegestanden oder waren Mitglied in
ihr: dazu zählen Edward Conze, Christmas Humphreys, Alexandra David-Neel
oder Walter Y. Evans-Wentz. Blavatsky und Olcott nahmen am 25. Mai 1880 in
einem Tempel in Galle (damals Ceylon) formal Zuflucht zum Buddha und legten die
Laiengelübde ab. Sie wurden fortan die gweißen Buddhistenh genannt
und insbesondere Olcott hatte maßgeblichen Einfluß auf eine
Revitalisierung der Theravâda-Tradition in Sri Lanka (Oldmeadow 2004:65).
Olcott schrieb auch einen viel gelesenen Buddhist Catechism (1881). Von Blavatsky hieß es, dass gihr
Wisssen um den Dharma minimal warh, dennoch führte ein von dem
Holländer A. P. Sinnett (1840-1921) verfasster Esoteric Buddhism (1883/dt. 1884: gDie esoterische Lehreh) dazu, gdass viele Europäer zu glauben
begannen, dass die okkulten Fantasien der Theosophie die wahren Lehren des
Buddhismus darstellten.h (Batchelor 1994:270). Gegen diese Verfälschung,
aber nichtsdestoweniger sehr populäre Auffassung ging Karl Eugen Neumann
scharfzüngig ins Gericht: gDoch die scheußliche Fratze des
eesoterischenf Buddhismus wie unerhört frech tritt diese Phorkyas[5]-Gestalt
neuerdings bei uns auf, mit ihren Geister- und Gespenstergeschichten, mit ihrem
spiritistischen Hokuspokus, hypnotischen Wunderkuren, telenergischem Zauberkram
und anderem krausem Zeuge mehr, ein Stück Mittelalter in der Neuzeit, mit
wissenschaftlichen Abfällen gedüngt.h (Zitiert in Hecker 1993b:23,
der auch anmerkt, dass uns diese Distanzierung heute eher überflüssig
und schwer verständlich erscheine). Für Neumann und manche seiner
seriös wissenschaftlich arbeitenden Zeitgenossen galt aber letztlich alles
Buddhistische nach dem Pâli-Kanon als korrumpiert.
3.4. Die Indologie
@@@@@ Schließlich wurde der Buddhismus zum Objekt ernsthafter
geistesgeschichtlicher und philologischer Forschung. Pâli und Sanskrit
wurde studiert und gelehrt, 1818 wurde der erste Lehrstuhl für Indologie
an der Universität Bonn eingerichtet. Er wird von August Wilhelm Schlegel
(1767-1845) besetzt. 1829 gab es in Jena, Berlin und München drei weitere
Professuren und fünfzig Jahre später hatte Deutschland die meisten
Sanskritlehrstühle außerhalb Indiens. gWaren bis in die 70er Jahre
des 19. Jahrhunderts vornehmlich tibetische und chinesische Quellen
herangezogen worden, so gewann in den nachfolgenden Jahrzehnten das
wissenschaftliche Interesse am südlichen Buddhismus und dessen
Pâli-Texten prägende Bedeutung. 1881 gründete Thomas William
Rhys Davids (1843-1922) die ePâli Text Societyf in England; im gleichen
Jahr ging Hermann Oldenburg (1854-1920) in seinem Werk Buddha. Sein Leben,
seine Lehre, seine Gemeinde, das auf
Pâli-Quellen basierte, auf die Geschichtlichkeit des Buddha ein.h
(Baumann 1995a:48). Oldenburgs Schrift trug wesentlich zur raschen
Popularisierung des Buddhismus im deutschen Sprachraum bei. Seine Darstellung
des Buddha als historisch fassbarer Person geht parallel mit dem Interesse in
der zeitgenösssischen christlichen Theologie am ghistorischen Jesush und
dürfte von dorther instigiert gewesen sein[6].
Ebenso
verdankt sich das konzentrierte Interesse am Pâli-Kanon einem christlich
geprägten Verständnis von Religion, nach dem ein, wenn nicht der wesentliche(r) Fokus auf einer zentralen heiligen
Schrift liegt und gEmphase auf dem Text als Lokus der Religion.h (gliterary
biash nennt das King 1999:43). Diese
Ansicht, dass sich der Buddhismus aus der Lehre ihres vermeintlichen gGründersh
erschließe und die Konzentration auf die ältesten, mutmaßlich
authentischsten Texte, die darüberhinaus in einer nur (männlichen)
Elite zugänglichen klassischen Gelehrtensprache verfasst sind, schuldet
sich christlichen, notabene protestantischen Vorverständnissen in bezug
auf das Wesen einer Religion. Dabei wird von Praxis, rituellem Leben,
Ikonographie, sozialer Funktion, gvolkstümlichemh Glauben etc. völlig
abgesehen. Was ausschließlich ins Visier gerät und entsprechend
(re)konstruiert wird, ist eine idealisierte, doktrinzentrierte,
universalisierte, abstrakte, somit stark verkürzte Form der buddhistischen
Religion. Kein Wunder also, dass der Zugang zum Buddhismus lange Zeit ein
intellektuell-kognitiver blieb und er als gLehreh verstanden und vermittelt
wurde und nicht als lebendige Praxis.
@@@@@ Die erste Ära der Wahrnehmung des Buddhismus war von einem
allgemeinen Interesse an Asien, vorerst Indien und unter Aufklärungsphilosophen
dann China geprägt. Man war von indischer Philosophie allgemein beeindruckt,
nicht zuletzt von den Upanischaden, die unter deutschen Philosophen und auch
bei Schopenhauer großes Ansehen genossen. Den meisten Rezipienten fehlte
noch Primärquellenkompetenz und es kam noch zu Unschärfen in der
Unterscheidung von vedântisch-monistischem und buddhistischem
Gedankengut. Vor allem Gebildete, d.h. Philosophen, Schriftsteller und
Künstler ließen sich vom Buddhismus inspirieren, ihr Zugang war
kognitiv-rational oder emotional; eine organisierte gBasish existierte nicht.
Der Buddhismus galt mehr als Weltanschauung, in positiver Sicht als
friedliches, humanes Gegenbild zum Christentum, (kirchlich) negativ gewendet
als gottlose, nihilistische Lehre.
4. Fin de Siècle
bis zum 1. Weltkrieg: Erste Sammelbewegungen und Persönlichkeiten
@@@@@ Die zweite Phase
der Rezeption und Ausbildung der ersten Sammelbewegungen wurde wie folgt
initiiert: gAls Reaktion auf Olcotts theosophisch geprägten Katechismus verfaßte Friedrich Zimmermann (1851-1917) unter
dem Pseudonym Subhadra Bikshu 1888 einen auf Pâli-Quellen fußenden Buddhistischen
Katechismus. Zimmermanns Katechismus
wurde in mehrere europäische und asiatische Sprachen übersetzt und
erfuhr bis 1921 14 Auflagen in Deutschland. Der Beginn der deutschen
buddhistischen Bewegung kann mit diesem Werk angesetzt werden.h (Baumann
1995a:49). Der Titel des Buches zeigt schon, dass hier dem Verständnis des
westlichen (christlich geprägten) Lesers entgegengekommen wurde, dies
zeigt sich auch sonst in Diktion und Übersetzungsarbeit und bestimmte die
inhaltliche Vermittlung, die auch auf Breitenwirkung abgezielt war.
@@@@@ Eine erste systematische Darstellung des Buddhismus in
deutscher Sprache stammt aus der Feder des Berliner Historikers Karl Friedrich
Köppen (1808-1863), der auch mit Karl Marx freundschaftlichen Umgang
pflegte und in punkto Religion durchaus dessen Geisteshaltung teilte. 1857
erschien Köppenfs Werk unter dem Titel gDie Religion des Buddha und ihre
Entstehungh. Letztlich tendierte seine vehement religionskritische
Interpretation der buddhistischen Lehre in Richtung eines Nihilismus
(näheres bei Zotz 1986:60-66). Eine – im deutschen Sprachraum schon
buchstäblich althergebrachte - Sichtweise, die jedoch auch fortan immer
wieder aufgekommen ist bzw. aufgenommen wurde.
4.1. Österreich: Karl
Eugen Neumann
@@@@@ Karl Eugen Neumann sprach mit seinen
poetisch-schöpferischen Übertragungen des Pâli-Kanons weite
Kreise von Intellektuellen, Schriftstellern, Künstlern oder Freiberuflern
an, die als Multiplikatoren bis in die akademische Mittelschicht, unter
Angestellten und im Beamtentum@
Gehör und Anklang fanden und dort auch eine breit gestreute
Trägerschaft buddhistischen Gedankenguts ausbildeten. Es konstituierten
sich die ersten Organisationen, beginnend mit dem gBuddhistischen
Missionsverein in Deutschlandh, 1903 von Karl Seidenstücker ins Leben
gerufen und 1906 in gBuddhistische Gesellschaft in Deutschlandh umbenannt und
bis 1911 fortbestehend. Seidenstücker (1876-1936) war Indologe und
Pâli-Übersetzer. Er war Sohn eines protestantischen Oberpfarrers und
als Knabe soll er visionäre Erlebnisse gehabt haben. Nach Hecker war
gSeidenstücker c außer Neumann der einzige Indologe, der selber
Buddhist war.h (Hecker 1996:160).
Was
Hecker interessanterweise verschweigt, ist, dass Seidenstücker wie andere
Buddhisten der ersten Stunde, in seinen letzten Lebensjahren dem Katholizismus
zugetan war und diesen auch praktiziert hatte. Als junger Mann
veröffentlichte er noch derart aggressive Kritiken am Christentum, dass er
sie unter einem Pseudonym herausbrachte. Auch später war er Polemiken
nicht abgneigt. Er wurde zu einem Anhänger der Grimmfschen
Buddhismus-Interpretation und neigte dem Mahâyâna zu (vom
Theravâda sprach er pejorativ als von gSiamesismush). Er überwarf
sich mit Walter Markgraf, mit dem er 1909 die Deutsche Pâli-Gesellschaft
ins Leben gerufen hatte. Gleichfalls Gründungsmitglieder waren die
Ärzte Wolfgang Bohn und Carl Strünckmann, die in der Folge beide vom
Buddhismus ab- und wieder auf das Christentum zugingen: gDaß ihre
maßgeblichen Gründer sich wieder dem Christentum zuwandten, scheint
in der buddhistischen Bewegung des deutschen Sprachraums, soweit sie
überhaupt die eigene Geschichte reflektiert, bis heute ein ebensolches
Tabu-Thema zu sein wie der Rassismus, der sich leitmotivisch als
konstituierendes Element durch die Anfangszeit zieht.h (Zotz 2000:155).
Markgraf
beabsichtigte eine Gründung eines Klosters in der
Theravâda-Tradition, was ihn mit Nyânatiloka zusammenbrachte.
Seidenstücker trat eher für einen nicht-mönchischen Buddhismus
ein. Die Pâli-Gesellschaft verließ er 1911 nicht zuletzt wegen der
Frage, ob eine monastische oder laienbezogene Orientierung die rechte sei. In
der ersten Phase von Organisationsformierungen war eine gewisse deutsche
gVereinsmeiereih hemmend und es kam zu Gründungen, Spaltungen, Zerwürfnissen
und Versöhnungen, deren Konturen ich hier nicht im einzelnen nachzeichnen
kann. gOhne verbindende Praxis konkurrierten unterschiedliche Interpretationen
der Lehre und vielerlei Entwürfe, wie die entsprechend empfundener Erfordernisse
idealisierte Lehre aus dem Osten die Leiden des Abendlandes lindern sollte.h
(Zotz 2000:152-3).
@@@@@ Karl Eugen Neumann dürfte laut dem ausgesprochen genauen
Chronisten Hellmuth Hecker, gder erste Österreicher, der sich zur Lehre
des Buddha bekannte, ... gewesen seinh (Hecker 1993a:16), ja, er ist gsoweit
bekannt, der erste deutsche Buddhist im eigentlichen Wortsinne gewesen.h
(Hecker 1993b:23). Die Geschichtsschreibung des Buddhismus in Österreich
nimmt mit dieser Persönlichkeit seinen Anfang. 1884 Buddhist geworden, lebte
er ab Herbst 1894 nach längeren Auslandsaufenthalten und einem
Indologie-Studium in Wien, um sich seinem Lebenswerk, der Übersetzung des
Pâli-Kanons, zu widmen. Hecker sieht Neumanns Arbeit in einem guten
Licht: gBis in die Gegenwart ist Neumanns Übersetzung, obwohl sie nicht
vollkommen ist, bisher die einzige geblieben, die Stil und Geist des Buddha
wirklich nahegekommen ist. Niemand außer Neumann hat die Mittlere und
Längere Sammlung und die Lieder der Mönche und Nonnen seitdem wieder
vollständig übersetzt.h (Hecker 1996:129). Wie immer man auch seine
Wiedergabe des Kanons einschätzt, von enormer Strahlkraft war sie
allemal:@ gWenn auch seine
Übertragungen heute von Buddhologen kritisiert werden, so waren sie doch
vor allem eines – inspirierend. Die Zahl jener Buddhisten,
Schriftsteller, Künstler usw. die von seinen Übersetzungen angeregt
und begeistert wurden, ist nicht mehr faßbar. Hugo von Hofmannsthal,
Maurice Maeterlink, Gerhard Hauptmann, Romain Rolland, der Nobelpreisträger
Karl Gjellerup, Rilke, Meyrink, Bernard Shaw, Thomas Mann, Hermann Hesse,
Hermann Bahr, Stefan Zweig setzten sich, teils zustimmend, teils ablehnend mit
den Buddha-Lehren auseinander.h (Ritter 1993:4). Im Österreich der
Jahrhundertwende könnte man demgemäß von einem gliterarischen
Salon-Buddhismush sprechen.
Die
gbuddhisierende Dichtungh, die ab den 1880er Jahren bis über das Fin de
Siècle hinaus aufblüht, gerscheint als Teil der modernen
neuromantischen Strömung in der ganzen europäischen Literatur. c In
der deutschen Literatur erinnert diese moderne buddhisierende Romantik c an die
alte aus der Zeit vor hundert Jahren. Sie erscheint sogar als
Weiterführung derselben. Die Träume der alten Dichter sind in der
Poesie der neuen zu einer Weltanschauung geworden. c Die neuen Buddhisten sind
c ebensoviel Aufklärer als sie Romantiker sind. Sie schreiben, um ihre
Leser auf den eWahrheitspfadf zu bringen; sie wollen erziehen, sie
verkünden hauptsächlich eine souveräne Herrschaft des
menschlichen Verstandes.g (Slepčević 1920:113). Damit setzen sie sich
aber auch gegen die antithetisch gegen die Aufklärung stehenden galtenh Romantiker
ab und liegen im Trend, den Buddhismus als rational und gwissenschaftlichh
darzubieten. Die gaufklärerischeh Schreibabsicht verweist gleichzeitig
darauf, dass das faktische Wissen um den Buddhismus gestiegen und absorbiert
worden ist. Das verdankt sich nicht zuletzt den intensivierten
Pâli-Studien und Werk und Wirkung Neumannfs.@
@@@@@ Hermann Hesse lobte Neumannfs Übersetzung und fand deren
Wörtlichkeit und die gendlosen Wiederholungenh[7]
angemessen, da Buddhafs Reden als Beispiele für Meditationen aufzufassen
seien, und gdas meditiernde Denken eben ist es, was wir bei ihnen lernen
können.h (Hesse 1980:232). Im Vergleich zu den Übertragungen von
Oldenburg seien Neumanns gim Ton ihm überlegen, in der Musik und Rhythmik,
im stillen eindringlichen Gleichfluß der Sätze. c Neumann [ist] in
die Stimmung, in die Atmosphäre dieser Reden tiefer, frömmer, inniger
eingedrungen.h (Hesse 1980:234). Hesse war sich außerdem der zwei Extreme
seiner Zeitgenossen in ihren Haltungen gegenüber dem Buddhismus voll
bewusst: die einen erwarteten sich eine geistige gAuffrischung vom Gegenpoleh
her, eine Korrektur ihrer hochgetriebenen Einseitigkeit in bezug auf
wissenschaftliches Spezialistentum und Intellektualismus. gWir haben erfahren,
daß der Mensch seinen Intellekt bis zu erstaunlichen Leistungen kultivieren
kann, ohne dadurch der eigenen Seele Herr zu werden. ch Die anderen hingegen
schürten eine Angst vor einer Überschwemmung durch asiatische
Religionslehren und dem Untergang des geistigen Abendlandes und Schaden, den
man davon nehmen könne und demonstrierten eine entsprechende Ablehnung.
Dazu meint Hesse lapidar: gDie Warnungen vor dem gefährlichen eOstenf, die
wir zur Zeit so häufig vernehmen, stammen alle von Lagern, die Partei
sind, die ein Dogma, eine Sekte, ein Rezept zu hüten haben.h (Hesse
1980:232 u. 237).
@@@@@ gDer eNeumannf war für Jahrzehnte das buddhistische
Standardwerk, auf das sich viele immer wieder bezogen.h (Ritter 1993:4). Zu
seinen Lebzeiten – und er starb tragisch früh an
Lungenentzündung 1915 an seinem 50. Geburtstag – hatte Neumann in Österreich
nur zwei Buddhisten gekannt: Heinrich Hugo Karny (1886-1937) und Ernst Hirsch
aka Reinhold. Karny war promovierter Mediziner und Philosoph, wirkte als Arzt
und Gymnasiallehrer, und war ab 1920 viele Jahre in Batavia/Indonesien.
Zeitweise war er auch protokollarischer Sekretär, der
gMahabodhigesellschfth (Deutscher Zweig), nach deren Gründung 1911 in
Leipzig. Reinhold war Schauspieler und hatte Neumann 1911 kennengelernt, den er
fortan etwa wöchtenlich traf, um über die Lehre des Buddha zu sprechen.
Aus der Zeit der k.u.k Monarchie gibt es sonst nur vereinzelte Namen von
Leuten, die mit dem Buddhismus in Verbindung gebracht werden oder die sich zu
ihm bekannten. Erwähnt sei Arthur Fritz aus Graz, der 1913 in Ceylon in
einen Orden eintrat und den Mönchsnamen Sono erhielt. Im ersten Weltkrieg
wurde er interniert, 1916 verscholl er in Java. gEr dürfte vor dem 1.
Weltkrieg der erste und einzige Österreicher gewesen sein, der Bikkhu
wurde.h (Hecker 1993a:17). Von ersten Sammelbewegungen kann in Österreich
in dieser Phase also keine Rede sein. Vielmehr müßte man von einem
ersten Auftritt von Einzelpersönlichkeiten sprechen. Allen voran ist
Neumann zu nennen, dessen Übersetzungen im Wien der Jahrhundertwende
große Ausstrahlungskraft hatten und Denkanregungen für
Intellektuelle und Künstler boten.
@@@@@ International hatte der Buddhismus vermehrt Aufmerksamkeit auf
sich gezogen durch das Auftreten Anagârika Dharmapalafs auf dem
gWeltparlament der Religionenh (1893) in Chicago. Dharmapala verschrieb sich
der Theosophie und dem Buddhismus, dem er sowohl eine universale Gestalt geben
wollte wie auch neue Kraft und revitalisierte Form in Indien und Ceylon. Zu
diesem Behufe gründete er 1891 die erste internationale buddhistische
Organisation, die Maha Bodhi Society in Colombo mit Zweigstellen in den USA und
mehreren europäischen Ländern, u.a. auch in Deutschland.
4.2. Morgenlandfahrer
@@@
Mit
Pioniergeist begabte Europäer gingen nach Asien, um vor Ort den Buddhismus
zu studieren und zu praktizieren, unter ihnen der Musiker Anton W. F. Gueth
(1878-1957), der als erster Deutscher 1904 in Burma die volle Ordination als
buddhistischer Mönch und den Namen Nyâna-ti-loka (gKenner der drei
Weltenh) erhielt. Nach Ceylon zurückgekehrt, begann er eine ausgedehnte
Tätigkeit als Übersetzer aus dem Pâli-Kanon und Verfasser
buddhistischer gLebensanleitungenh. 1911 gründete er die auf einer Insel
gelegene Mönchs-Einsiedelei Polgasduwa, die Rückzugs- und
Ausbildungsort für viele europäische Aspiranten auf einen
monastischen Buddhismus wurde. Der Einfluss deutscher Mönche aus Asien in
ihrem Mutterland war zu jener Zeit unüberschätzbar, auch in der
Übergewichtung der Theravâda-Tradition, die als die reine Lehre galt
im Gegensatz zum gdegeneriertenh Mahâyâna-Buddhismus. Der Versuch
analog zu lebensreformerischen Kommunen ein buddhistisches Mönchskloster,
ein Vihâro, in Deutschland
zu errichten, scheiterte. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges begann
für Nyânatiloka eine zwölfjährige Odyssee bevor er wieder
nach Ceylon zurückkehren konnte. Er war bis 1916 in Australien interniert,
konnte dann in die USA (Hawaii) reisen. Es verschlug ihn im weiteren über
China nach Japan, wo er von 1921 bis 1926 eine vielfältige
Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten entfaltete. Er
(üb)erlebte das große Kantô-Erdbeben im Jahre 1923. Im Zweiten
Weltkrieg landete er in einem Lager, in dem er u.a. Govinda und Heinrich Harrer
gtrafh. 1952 siedelte er in das klimatisch gut erträgliche Kandy um, wo er
eine gForest Hermitageh genannte Einsiedelei gründete und bewohnte (siehe
Hecker 1996:61-5). Neben seiner umfangreichen Übersetzertätigkeit war
Nyânatiloka vor allem als Lehrer und Spiritus Rector eines bis nach
Europa personell und ideell einflussreichen Sangha von nachhaltiger Wirkung:
gMehr als vierzig Mönchschüler nahm Nyanatiloka im Laufe seines
Wirkens als Novizen an. Dazu kamen weitere Mönche, denen nicht er die
Weihe erteilte, sowie Laienschüler, die nicht die vollen Gelübde
ablegten, aber unter seiner Weisung asketisch lebten.h (Zotz@ 2000:2173).
@@@@@ Obgleich Nyânatiloka während dem Gutteil seines
Wirkens in Asien gelebt hatte, hatte er auch in der Schweiz pionierhaft
gewirkt: er lebte im Winter 1909-10 bei Lugano und 1910/11 mehrere Monate in
Lausanne in der Einsiedelei gCaritas Viharoh, die der vermögende Gönner
R. A. Bergier gestiftet hatte. Dort weihte er den aus München stammenden
Bartel Bauer (1887-1940) zum Novizen. Dies sollte die erste Ordination auf
europäischem Boden sein. Nach seiner Abreise nach Polgasduwa kehrte
Nyânatiloka nicht mehr in die Schweiz zurück, wohl aber seine
Schüler, darunter Nyânaponika (Siegmund Feniger 1901-1994), der auch
ein meisterlicher Pâli-Übersetzer war. Bis in die 1940er Jahre gab
es in der Schweiz dann keine nennenswerten buddhistischen Aktivitäten mehr
(Baumann 1998:256-8).
@@@@@ Der Buddhismus war in dieser Epoche in
bildungsbürgerlichen Kreisen eine intellektuelle Mode, die mit
lebensreformerischem Gedankengut, Vegetarismus, Tierschutz und
Friedensbewegungen Überschneidungen aufwies. Der Buddhismus wurde als
Religion der Vernunft präsentiert, die sich mit den Erkenntnissen der
Naturwissenschaften und Psychologie in Übereinstimmung befand und eine
edle ethische Lehre darstellte. Es kam zu Konversionen und Lesezirkel, Vereine
und Gemeinschaften hatten sich etabliert. gDer erste Weltkrieg 1914-1918
unterbrach die zahlenmäßig noch kleine Bewegung, auch die
buddhistischen Zeitschriften stellten ihr Erscheinen ein. Dieses markiert das
Ende der zweiten Rezeptionsphase.h (Baumann 1995a:59).
@@@
5. Zwischenkriegszeit:
Buddhologie und Privatzirkel
@@@@@ Die dritte Periode
der Vermittlung und Aufnahme des Buddhismus begann nach dem ersten Weltkrieg
1918. Sie ist gekennzeichnet durch eine stärkere Ausrichtung auf den
buddhistischen Laien und eine Anpassung der Lehre an europäische bzw.
deutsche geistesgeschichtliche Verhältnisse und wurde somit auch als
gdeutsche Buddhologieh bezeichnet. Der gBund für Buddhistisches Lebenh
hatte zwischen 1920 und 1928 (Auflösung) starke Ortsgruppen in
München, Hamburg, Berlin und Breslau. Die Entwicklung war maßgeblich
von Einzelpersönlichkeiten geprägt, allen voran Paul Dahlke und Georg
Grimm.
5.1. Paul Dahlke und Georg
Grimm
@@@@@ Der Berliner Arzt Paul Dahlke (1865-1928) hatte den Buddhismus
schon 1900 vor Ort in Ceylon kennengelernt und vor allem in seinen letzten zehn
Lebensjahren eine rege Tätigkeit als Pâli-Übersetzer und
Publizist entfaltet. 1924 erbaute er das gBuddhistische Haush in
Berlin-Frohnau, das in der Folge auch einen Tempel enthielt, in dem
buddhistische Andachtsfeiern abgehalten wurden. Dahlke war stark
naturwissenschaftlich orientiert und sah im Buddhismus eine nüchterne
Wirklichkeitslehre, die mit der Illusion eines substantiellen gIchh
aufräumt. Er betonte die Kompatibilität des Buddhismus mit der
modernen (Natur)Wissenschaft@ und seine
Rationalität – Argumente für diese Religion, die von westlichen
Intellektuellen immer wieder ins Treffen geführt werden sollten. Seine
Intepretation nannte Dahlke gNeubuddhismush und stand damit im Gegensatz zur
gAltbuddhismush genannten Gruppe um Georg Grimm. Grund des gSchismash war die
Diskussion um die anattâ-Doktrin.
@@@@@ Georg Grimm (1868-1945) hatte ein katholisches Priesterseminar
besucht und schon die niederen Weihen empfangen, als er dort austrat und ein
Jurastudium in München aufnahm (1889) und abschloß (Hecker 1996:38).
Möglicherweise hat diese katholische Episode sein Buddhismusbild
mitgeprägt. Später bezeichnete er indes Schopenhauer als seinen
Lehrmeister, dessen Konterfei zeitlebens über seinem Schreibtisch hing.
Die Übersetzungen Neumanns, die ihn tief ergriffen hatten, waren der
entscheidende Impetus für eine intensive und später ausgiebige
publizistische Auseinandersetzung mit der Lehre Buddhafs, die so weit ging,
dass Grimm auch Pâi lernte. Er war allerdings am frühen Buddhismus
vor der Abfassung des Pâli-Kanons interessiert und sah in der Lehre vom
Nicht-Ich/Nicht-Selbst (anattâ)
eine spätere Fehlauslegung. Er war der Auffassung, dass es einen
transzendentalen Kern jenseits der allen Wandlungen unterworfenen
Daseinsaggregate gab, was einem gSeelenkonzepth verdächtig nahekommt und
bei dem jeder Mystik abgeneigten Dahlke auf Widerspruch stieß. 1921 hatte
Grimm mit Karl Seidenstücker die gBuddhistische Gemeinde für
Deutschlandh gegründet, die er 1924 ungeschickterweise zur gBuddhistischen
Loge zu den drei Juwelenh umbenannte, womit sie 1934 konsequenterweise unter
das Freimaurerverbot geriet und als illegal erklärt wurde, fortan jedoch
als gAltbuddhistische Gemeindeh (1935) weitermachte.
@@@@@ gUnter inhaltlichem Gesichtspunkt begegnen uns mit Grimm und
Dahlke zwei extreme Ansichten, die der Buddhismus als emittlerer Wegf seit
seinen Anfängen vermeiden wollte, der Eternalismus (nityavâda,
sâsvatadrsti), der von der Unzerstörbarkeit des Wesens ausgeht, und
der Nihilismus (ucchedadrsti), der die vollkommene Hinfälligkeit und
Vernichtung lehrt c Anhaltend bleiben westliche Ansätze in Philosophie,
Wissenschaft und Bestrebungen, Buddhismus als Religion oder Weltanschauung zu
propagieren, von Suggestivfragen und Projektionen bekannter Muster geprägt.h
(Zotz 1996:290).
@@@@@ Die Zwischenkriegszeit war gesamtperspektivisch gesehen wohl
eine Periode der Stagnation in der Weiterverbreitung des Buddhismus in
Deutschland. Dazu bemerkt Zotz, dass gDahlke und Grimm eine große
persönliche Faszination auf ihre Anhängerschaft aus[übten], die
zum großen Teile sektiererisch und unbeweglich an den Standpunkten ihrer
Meister festhielten. Dieser Umstand, das Fehlen neuer derart dominierender
Persönlichkeiten, vielleicht auch Unsicherheiten bezüglich der
unversöhnlich scheinenden Interpretationsmodelle ließen die
buddhistische Bewegung in der Folge stagnieren.h (Zotz 1986:106). Dass sich die
Alt- bzw. Neubuddhisten überdies gheftig bekämpftenh, Dahlke auf
Keyserling den Eindruck eines gfanatischen Sektierersh (Glasenapp 1960:227 u.
225) gemacht hatte, dürfte nicht zu einem attraktiven Bild in der
Öffentlichkeit beigetragen haben. Keyserling selbst hat hingegen in seinem
zu jener Zeit vielgelesenen gReisetagebuch eines Philosophenh ein durchaus
einfühlsames und sympathisches, Licht und Schatten ebenmäßig
verteilendes Bild des Buddhismus entworfen. Als religiöses gGenieh sah er
den Buddha, gder seine Lehre so meisterhaft formuliert [hat], daß sie von
den Seelen ihrer Bekenner wirklich Besitz ergriffen hat. Auf dem Wege einfacher,
jedermann faßlicher Sätze und Vorschriften hat er tiefste Weisheit
in das Gemüt des kleinen Mannes hineingesenkt ch Und: gIm Buddhismus hat
das allgemein indische Ideal des Détachements seine äußerste
historische Verwirklichung erfahren.h (Keyserling 1922:52 u. 61).
@@@@@ Dass im Buddhismus keine amor militans herrsche, unterscheide ihn wesentlich von Christentum
(das Keyserling in diesem Punkt – nicht unähnlich Žižek -
allerdings höher schätzt), doch kommt er zu einer abwägenden
Conclusio, die mit jener von Glasenapp in einer kritischen Passage zu Albert
Schweitzers negativer Pauschalabwertung der indischen Religionen als gwelt- und
lebensverneinendh, in Gleichstimmung liegt: gDie abendländische Art, den
Mitmenschen gegen ihren Willen Wohltaten aufzudrängen, hat oft unendlichen
Schaden angerichtet. Wieviel mehr Nutzen haben da die scheinbar untätigen
Heiligen gestiftet, die ungewollt durch ihr friedliches Dasein und ihr Beispiel
viele getröstet und zu einem sittlichen Leben angehalten haben. Wer je in
Indien oder in Ostasien Gelegenheit gehabt hat, Asketen von tiefem Ernst und
hoher Gesinnung kennenzulernen, der begreift, warum der Osten dem
weltentsagenden Klausner zu allen Zeiten einen so hohen Rang in der Geschichte
der sittlichen Erziehung des Menschengeschlechts zuerkannt hat.h (Glasenapp
1960:151).@
@@@@@ Neben Grimm und Dahlke trat der unter dem Namen Tao Chün
1933 in China ordinierte Martin Steinke (1882-1966) hervor, der 1922 in Berlin
die gGemeinde um Buddha e.V.h gegründet hatte und ab 1934 wieder in
Berlin/Lichterfelde ansässig und buddhistisch (auch international) aktiv war.
Er machte Vorträge, erklärte ein Holzhaus zum Vihâro und war daran interessiert, die buddhistische Lehre
praktisch vorzuleben und umzusetzen. 1941 wurde er kurzfristig von der Gestapo
verhaftet, buddhistisches Wirken wurde ihm verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg
nahm er seine Tätigkeiten umgehend und publikumswirksam wieder auf. Er
hatte keine gSchuleh gegründet wie Grimm oder Dahlke,@ dürfte aber eine gewinnende,
eindrucksvolle Ausstrahlung gehabt haben und zählte Prominente wie Sergiu
Celibidache und Carl Friedrich v. Weizsäcker zu seinen Freunden (Hecker
1996:186f.).
5.2.
Nazi-Umnachtung
@@@@@ Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden
buddhistische Aktivitäten zunehmend erschwert und auf private Zirkel
beschränkt, bis sie schließlich zum Erliegen kamen. Die Verfolgung
deutscher Buddhisten verlief insgesamt gglimpflichh, außer bei jenen
jüdischer Herkunft, die inhaftiert, deportiert oder zur Emigration gezwungen
worden waren. Buddhisten galten als gSonderlingeh und gPazifistenh. gAn
irgendwelchen Widerstand gegen das herrschende Regime oder gar an einen
organisierten Widerstand war nicht zu denken. Die Buddhisten waren ja selber
nicht organisiert. Hauptträger der buddhistischen Idee waren c kleine und
kleinste Gruppen. So ist es auch bis in die 60er Jahre in Deutschland und
Österreich geblieben. Selbst heute ist die Lehre des Buddha im strengen
Sinne eine Lehre für Einzelgänger.h (Helmut Klar in Baumann
1995b:31-32).@@@
@@@@@ Die dritte Phase war immer noch von einer Konzentration auf den
Pâli-Kanon und einem kognitiv-rationalen Zugang dominiert. Daneben gab es
in gGemeindenh und ersten gKultstättenh Ansätze eines religiösen
Lebens mit Exerzitien, Feiern und damit devotional-emotionalen Elementen. Die
Nazi-Herrschaft überschattete diese Periode allerdings in düsterer
und existenzbedrohlicher Weise.
@@@@@ Aus Österreich heißt es aus der
Zwischenkriegszeit:@ gZwischen den
beiden Weltkriegen gab es in Wien (von anderen hat man keine Nachricht) kleine
buddhistische Zirkel, die sich nicht weiter organisierten, sondern in lockerer
Abfolge trafen. Ein Mann ragt in dieser Zeit als Lehrer hervor – Dr.
Anton Kropatsch, ein Schüler von Paul Dahlke. Er gab die Lehre
insbesondere in der Zeit von 1935 bis 1945 weiter; die nachfolgende Generation
Dr. Oprchal und Fritz Hungerleider berief sich auf ihn.h (Ritter 1993:5).
Reinhold
war bis zu seiner aufgrund seiner jüdischen Herkunft erzwungenen
Emigration 1939 nach London buddhistisch aktiv. Daneben bestand ein gBund
für buddhistisches Lebenh (1912-1928) und 1923 wurde von Axel Grasel,
einem Mitglied dieser Gruppe, eine Buddhistische Gesellschaft in Wien
gegründet. 1926 bildete sich ein Kommittee zur Gründung einer
gÖsterreichischen Paligesellschafth. Sonst gab es Vortragstätigkeit,
vereinzelte Publikationen und noch vereinzeltere Versuche bei internationalen
Organisationen oder Kongressen aufzuscheinen (Näheres bei Hecker 1993a:18).
Immer noch blieb das buddhistische Leben auf Privatniveau –
Einzelpersonen und kleine Gruppen. Erich Skrleta spricht bei der
Zwischenkriegszeit trefflich von gWohnzimmer-Buddhistenh – die
Auseinandersetzung fand auf philosophisch-intellektueller Ebene und ohne
religiöser Praxis statt.
5.3. Schweizer Interludium
@
@@@@@ Die Schweiz blieb von den Weltkriegen weitgehend verschont und
1942 kam es zum mutmaßlich ersten organisatorischen Zusammenschluß
von Buddhisten in der Schweiz mit der Gründung der gBuddhistischen
Gemeinschaft Zürichh. Der eingebürgerte gebürtige
Südtiroler Max Ladner (1889-1963) war eine der treibenden Kräfte und
der Zirkel traf sich auch zumeist bei ihm zu Hause. Die Gemeinschaft
orientierte sich am Pâli-Kanon und gab zwischen 1943-47 Mitteilungen
heraus und 1948-1961 die buddhistische Zeitschrift gEinsichth. Im Verleger Paul
Christiani (1901-1974) hatte die Gemeinschaft einen tatkräftigen
Multiplikator: ab 1952 erschien im Christiani-Verlag die gBuddhistische
Handbibliothekh. Angeführt sei noch der Maler Peter Voltz (1910-1978),
dessen entlegene Residenz im Tessin zu einem Treffpunkt von (deutschsprachigen)
Buddhisten wurde: Hellmuth Hecker verbrachte regelmäßig seinen
Sommerurlaub bei Voltz und vermittelte viele Kontakte (Baumann 1998:260). Die
nächsten bedeutsamen buddhistischen Entwicklungen entfalteten sich in den
1960er Jahren, als die Schweiz rasch nach der Massenexilierung ca. tausend
tibetische Flüchtlinge aufnahm – ihnen sollten in den nächsten
zehn Jahren weitere tausend Tibeter folgen.
6. 1946 bis Anfang der
1960er Jahre: Wiederaufbau und Organisationsbildung
@
Die
vierte Phase der
Buddhismusrezeption ist mit gWiederaufbau und Neuanfängeh gut umschrieben.
Neue Kreise und Gemeinden wurden gegründet, alte reaktiviert und in der
Nazi-Zeit verbotene Gruppen, so z. B. die gAltbuddhistische Gemeindeh (ABG),
wurden wieder ins Leben gerufen. Eine erste organisatorische Diversifizierung
zeichnet sich ab, unter den vielen Neugründungen sei das gBuddhistische
Seminar für Seinskundeh erwähnt, das von Paul Debes (1906-2004)
errichtet worden war. Debes entfaltete umfangreiche Tätigkeiten von
Vorträgen, Seminaren bis zu gForschungs- und Besinnungswochenh. In der
Folge wurden buddhistische Kreise in zahlreichen deutschen
Großstädten etabliert, die von Akademikern und engagierten Laien
getragen wurden und ein gestreutes Publikum unter Angestellten, Lehrern,
Ärzten, Kaufleuten und dem bürgerlich-liberalen Milieu fanden. Bis
weit in die 70er Jahre blieb das gBuddhistische Seminarh die größte
buddhistische Gruppe in Deutschland.
Mehrere
Anläufe die buddhistischen Organisationen unter eine Pagodenkuppel zu
bringen, führten schließlich 1958 zum Dachverband gDeutsche
Buddhistische Unionh (DBU; www.buddhismus-deutschland.de), der fortan
als Interessengemeinschaft die buddhistischen Gruppen vertritt.
1954
wurde neben München und Berlin in Hamburg eine Großstadt-Gemeinde,
die gBuddhistische Gesellschaft Hamburgh konstituiert. 1962 wurde in Roseburg
bei Hamburg das gHaus der Stille e.V.h eingeweiht, das für alle
Traditionen offen steht, vielfältige Veranstaltungen ermöglicht und
Mönche beherbergt.
In
der Wiederaufbauphase fanden erstmals mahâyâna-buddhistische
Richtungen nach Deutschland: der 1933 von Lama Anagârika Govinda
(1898-1985; eig. Ernst Hoffmann) in Indien gestiftete Orden gÂrya
Maitreya Mandalah (AMM) kam 1952 durch Hans-Ulrich Rieker (1920-1979) in die
Bundesrepublik. Die deutsche Zweigstelle in Berlin war das erste Zentrum, das
sich vornehmlich dem Studium und der Verbreitung des tibetischen Buddhismus
widmete (cf. Oldmeadow 2004:141). Der Zen-Buddhismus bekam durch das
Büchlein Zen in der Kunst des Bogenschießens (1948) von Eugen Herrigel hohe und bleibende
Bekanntheit. 1956 wurde von Harry Pieper (1907-1978) die erste japanische
shin-buddhistische Gemeinde Europas in Berlin eingerichtet. Sie gehörte
der Jôdô-Shinshû, Nishi-Honganji an und hielt sich bis 1967,
als sie wegen Personenmangel aus der DBU ausschied.
Erwähnenswert
ist die Zunahme von Besuchen und Langzeitresidenzen von asiatischen Lehrern und
gMissionarenh. Im Gegenzug reisten deutsche Buddhisten vermehrt in asiatische
Länder um an Ort und Stelle buddhistische Lehre und Meditation zu
studieren.
g...
1964 leitete Fritz Hungerleider (geb. 1920) den ersten mehrtägigen
Zen-Kurs in der Bundesrepublik. Dieses Sesshin bildete symbolisch den Auftakt zum einsetzenden
Interesse an der meditativen Praxis des Buddhismus. Es soll daher das Ende der
Phase eWiederaufbauf und den Beginn der fünften Phase, des
eMeditations-Buddhismusf, markieren.h (Baumann 1995a:76).
@@@@@ In dieser Phase hatte sich die Heterogenität und
Pluralität des Buddhismus in Deutschland beträchtlich
vergrößert:
@@@@@ gDie Strukturen der Organisationen waren ebenso vielfältig
wie unterschiedlich: neben Arbeitsgemeinschaften, Seminaren, Gesellschaften und
Vereinen existierten religiös orientierte Gemeinschaften, Gemeinden und
Orden.
@@@@@ Die fünf größten buddhistischen Gemeinden in
der Bundesrepublik (ABG, AMM, BG Hamburg, BG Berlin, BG München)
umfaßten 1962 etwa 620 eingetragene Mitglieder, ca. 2.000 Personen
(Mitglieder und Freunde) waren durch in der DBU zusammengeschlossene Gruppen vertreten.
Der allgemeine Interessentenkreis an buddhistischer Lehre und Praxis
dürfte weit über der Zahl von 5.000 bis 6.000 Personen gelegen haben,
dieses zeigten schon die Auflagenzahlen zen-buddhistischer Literatur.h (Baumann
1995a:77).
6.1. Österreich
@@@@@ In Österreich nimmt der gWiederaufbauh mit der
Gründung der Buddhistischen Gesellschaft Wien (1947) schon kurz nach dem
Krieg seinen sichtbaren Anfang.[8]
Periodisierungen haben immer etwas Arbiträres an sich. Signifikante
Eckdaten bieten sich als Abschnittsmarkierungen an, wenngleich die realen
Übergänge und Entwicklungen als fließend und über mehrere
Jahre Schwung holend anzusehen sind. Für Österreich würde ich
die Periode des Neubeginns als bis zu den 70er Jahren ansetzen und vielleicht
mit 1972 (Gründung der buddhistischen Buchhandlung Octopus) ein Datum als
Fanal einer neuen Phase nennen, die in den nächsten zehn Jahren (bis zur
Anerkennung des Buddhismus als Religion 1982) von Generationswechsel,
Neu-Orientierung (vermehrte Praxis) und wesentlichen Neugründungen von
buddhistischen Gemeinschaften und Zentren geprägt war. Mit der von Erich
Skrleta ins Leben gerufenen Buchhandlung Octopus wurde zugleich eine
Adressenkartei von buddhistisch Interessierten im deutschsprachigen Raum
angelegt.
@@@@@ 1949 bis 1955 ist Dr. Oprchal Präsident der Buddhistischen
Gesellschaft, sein Nachfolger wird Fritz Hungerleider, der dieses Amt über
zwanzig Jahre ausüben sollte. Die Gesellschaft war für alle
buddhistischen Richtungen offen, schwerpunktmäßig aber immer noch
auf den Theravâda-Buddhismus konzentriert. 1954 war der Patriarch der
Jôdô-shinshû (Nishi Honganji), einer mahayanistischen
japanischen Richtung des Reine-Land-Buddhismus, Kosho Ôtani, auf Besuch
in Wien. 1973 kam dann der Dalai Lama nach Österreich und wurde auch von
Kardinal König empfangen. 1975 wird das Buddhistische Zentrum Scheibbs
errichtet, schon im folgenden Jahr findet dort die zweite Tagung der
Buddhistischen Union Europas statt. 1976 wird auch ein Zentrum am
Dannebergplatz in Wien eröffnet und Fritz Hungerleider tritt als
Präsident der seit 1974 Buddhistische Gemeinschaft Österreichs
(BGÖ) geheißenen Dachorganisation zurück. Im selben Jahr
erscheint die erste Nummer der buddhistischen Zeitschrift Bodhi Baum. Die Doktoren Ernst Schönwiese und Walter
Karwath waren maßgebliche Promotoren und auch regelmäßige
Beitragsschreiber des Magazins. Dr. Karwath ist seit 1977 bis zu seinem Ableben
1986 Präsident der BGÖ. Er entfaltet eine rege Publikations- und
Vortragstätigkeit und ist die treibende Kraft hinter der mit dem Advokaten
und Poeten Dr. Albert Drach eingeleiteten und Ende 1982 erfolgreich
durchgebrachten Anerkennung des Buddhismus als Religionsgemeinschaft[9].
7. 1960er und 1970er
Jahre: Buddhismus in Gegenkultur und Praxis
@@@@@ Die fünfte
Epoche des Buddhismus in Deutschland steht unter dem Zeichen und Zauberwort
gMeditationh. Von 1964-1977 setzt Baumann diese Phase an, die damit in eine
Zeit gesellschaftlicher Umbrüche fällt, die sich auf das Interesse am
Buddhismus insofern auswirkten, als alternativkulturelle, antibürgerliche,
von Beat-Poesie und Hippietum inspirierte Kreise in der Suche nach
Bewußtseinserweiterung und religiös-spirituellem Erleben aus erster
Hand sich neben Yoga vor allem von der buddhistischen Meditationspraxis
angezogen fühlten. Die Zunahme an Lehrangeboten und Publikationen
insbesondere Zen betreffend strahlte darüberhinaus weit und breit in die
gebildete Mittelschicht hinein. Wenngleich die Zahl der bekennenden Buddhisten
im Vergleich zur vorhergehenden Phase nicht auffallend gestiegen ist, sollen
Anfang der 70er Jahre schätzungsweise mindestens 20.000 Deutsche
täglich im Stile des Zen meditieren (genaue Angaben in Baumann 1995a:85).
@@@@@ Die Schriften von Daisetz Teitaro Suzuki (1870-1966) trugen wie
keine anderen zur Popularisierung des Zen bei. Seine Interpretation des Zen in
psychologischen Begriffen und als universeller Mystik, in deren Zentrum die
Erfahrung der gErleuchtungh (satori)
oder des Erwachens zu einer neuen Wirklichkeit und personalen Ganzheit stehe,
fand Anklang und Sanktion bei Psychoanalytikern wie Carl Gustav Jung und Erich
Fromm. Die Herauslösung des Zen aus seinem buddhistischen Rahmen
ermöglichte zugleich die Übernahme seiner meditativen Methode in
einen christlichen Kontext. Wegweisend waren im deutschen Sprachraum hier die
Jesuitenpatres Heinrich Dumoulin (1905-1995) und Hugo Makibi Enomiya-Lassalle
(1898-1990) sowie der mehr therapeutisch orientierte Karlfried Graf von
Dürckheim (1896-1989). Alle drei hatten Zen in Japan (kennen)gelernt, in
Deutschland Kurse und Seminare gehalten und eine ausgedehnte
Publikationstätigkeit entfaltet. Die Verkleidung des Zen in ein
christliches Gewand stieß aber auch auf heftige Kritik (cf. Baumann
1995a:80).
@@@@@ Bedeutende Zen-Meister wie Tetsuo Nagaya Kiichi Rôshi
(1895-1993) und Taisen Deshimaru Rôshi (1914-1982) aus der
Sôtô-Linie hielten schon in den ausgehenden 60er Jahren Kurse in
Zen-Meditation ab. In den 70er Jahren kommt es dann aber zu einem geradezu
explosionsartig angestiegenen Angebot und Interesse an Zen-Seminaren und in
vielen Städten wurden Zen-Zentren verschiedener Richtungen gegründet.
Genannt seien exemplarisch die Initiativen von Klaus Zernikow, der 1971 in
Berlin eine von Nagaya-Rôshi mitbetreute Rinzai-Zen-Gemeinschaft
gründete, das Zendô aus dem Umfeld Deshimaru-Rôshifs, das
François A. Viallet 1975 in Frankfurt errichtete und ein von
Schülern des durch sein Buch The Three Pillars of Zen berühmt gewordenen Philip Kapleau 1974
etabliertes gZen Centerh in Hamburg.
@@@@@ Ab den 1960er Jahren änderte sich auch gdie bis dahin betuliche
und vornehmlich von Einzelpersonen getragene buddhistische Präsenz in der
Schweiz.h (Baumann 1998:262). Meditation im Stile des Zen stieß auf
zunehmendes Interesse. Auch hier sind es Zen-Übungswochen (Sesshinfs) und
Besuche von japanischen Rôshifs, die zur Gründung von Zentren und
Übungsstätten (Dôjôfs) führen: Nagaya Rôshi
hielt 1970 in Brissago und 1971 in Caviano die ersten Sesshin ab. 1972
eröffnete ein Dôjô in der Übungstradition von Deshimaru
Rôshi in Genf – seine Gruppe gZen-Vereinigung Schweizh dürfte
bis heute die zentren- und zahlenmäßig Bedeutendste sein.
@@@@@ 1959 marschierte die Volksbefreiungsarmee in dem seit zehn
Jahren von der Volksrepublik China besetzten Tibet ein, um einen Aufstand
niederzuschlagen. Damit setzte eine tragische und in die Zehntausende gehende
Flüchtlingswelle ein, die auch viele buddhistische Würdenträger
nach Indien und in den Westen trieb. In den 60er Jahren hatte die Erhaltung der
tibetischen Kultur und Religion im indischen Exil absolute Priorität, erst
ab den 70er Jahren erfolgte dann eine beispiellose Verbreitung des tibetischen
Buddhismus in den USA und Europa. In der Schweiz wurde schon 1968 das
gKlösterlich-Tibetische Institut Rikonh eingeweiht, da dort mehr als
tausend tibetische Flüchtlinge lebten. Das Institut bekam auf Sendung
durch den Dalai Lama einen seiner persönlichen Berater zu seinem Leiter:
Geshe Rabten (1920-1986). 1977 wurde das Tharpa (heute: Rabten) Choeling
Zentrum für Höhere Tibetische Studien beim Mont Pelerin in der
Nähe von Lausanne gegründet. Beide Institutionen stehen in der
Gelugpa-Tradition und kümmern sich um die tibetischen Exilanten und die
Ausbildung europäischer Mönche und Nonnen. Daneben haben sich auch
andere Richtungen etabliert: Sakyapa, Nyingmapa und gmoderneh Suborganisationen
wie Rigpa und Shambala.
Der
Dalai Lama besuchte 1973 Deutschland, 1974 und erneut 1977 folgte ihm das 16.
Oberhaupt der Kagyüpa-Linie, Gyalwa Karmapa. In Hannah und Ole Nydahl
hatte letzterer energische und hochaktive Fürsprecher und veritable
Missionare. Sie hatten schon 1972 in Kopenhagen das erste Kagyü-Zentrum im
Westen errichtet, nach der Europa-Reise des Karmapa 1977 sollten viele mehr in
seinen Fährten aus dem Boden schießen.
@@@@@ gDie Ausbreitung des tibetischen Buddhismus in der
Bundesrepublik, die Mitte der siebziger Jahre begann, dokumentierte sich durch
Vortragsreisen und Seminare von tibetischen Lamas sowie durch Gründung
erster Zentren. Das Eintreffen dieser buddhistischen Tradition Asiens soll die
Markierungslinie zwischen der Phase des Meditations-Buddhismus und der Phase
VI, dem Aufschwung des tibetischen Buddhismus, bilden.h (Baumann 1995a:84).
Die
Mitte der 70er Jahre erweist sich in Österreich somit als wichtige Achse
für neue Entwicklungen: Ausweitung der Aktivitäten, Diversifizierung
nach Schulrichtungen, Etablierung neuer Gruppen, Erhöhung (und gErhebungh)
der Mitglieder- und Interessentenzahlen. Zu vermuten ist ein Zustrom aus dem
alternativen Milieu, der Post-68er-Gegenkultur und dem Hippie-Umfeld, nicht
zuletzt von Leuten, die in Asien den Buddhismus aus erster Hand kennengelernt
haben (eine entsprechende Notiz in: Riedl 1998:4).
Tibetische
Lamas geben Kurse und halten Zeremonien ab. 1977 wird in Salzburg eine
Buddhistische Gemeinschaft etabliert, ihr Proponent Friedrich Fenzl ist auch federführend
bei der Gründung der Jôdô-Shin-Gemeinschaft im Jahre 1980. In
diesem Jahr wird auch das Buddhistische Zentrum am Fleischmarkt 16 im 1. Bezirk
von Wien gegründet: das Sekretariat der (später offiziell so geheißenen)
Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR; www.buddhismus-austria.at),
die Buchhandlung Octopus und ein vegetarisches Restaurant befinden sich von nun
an auf engem geographischem Terrain. Ebenso gim Haush: das 1979 gegründete
Bodhidharma Zendô, eine Zen-Gruppe unter der Leitung von Herbert Koudela
(Genro Oshô), eine Theravâda-Gruppe und ein tibetischer Orden.
8. Ab Ende 1970er Jahre:
Neuzugänge aus Asien: Immigranten, tibetischer Buddhismus und
vipassanâ
Die
sechste Rezeptionsphase zeichnet
sich durch eine zunehmende Pluralisierung und Heterogenität bezüglich
buddhistischer Traditionslinien, aber auch in ethnischer Hinsicht aus –
durch den Zustrom asiatischer Flüchtlinge (Vietnam, Kambodscha, Tibet) und
von Immigranten aus asiatischen Ländern. Verstärkt sind asiatische
Geistliche und Lehrer tätig, der Anteil von lehrenden Frauen/Nonnen nahm
gleichfalls und erwähnenswert zu. Ich möchte die an
Überschaulichkeit verlierende Phase VI kurz aus dem Resümée
her charakterisieren:
@@@@@ gInhaltlich blieb wie in Phase V das Meditationsangebot
dominant. Es bestimmte die meisten Veranstaltungs- und Kursangebote der
zahlreich zugenommenen Institute, Zentren und Seminarhäuser. Zugleich
wurden Einweisungen und Einweihungen in bestimmte buddhistische Rituale und
Praktiken verstärkt nachgefragt. Der Zugang zur buddhistischen Religion
geschah demnach vermehrt über Praxisformen, wobei die
farbenprächtigen, klangvollen und für manche exotisch erscheinenden
Andachten und Liturgien des tibetischen Buddhismus besonders anziehend wirkten.
Diese stärkere liturgische Orientierung unterschied die Anhänger
tibetischer Ausrichtung von den Buddhisten der zeitlich früheren Phasen,
die mehr an der enüchternenf, doktrinären und lebenspraktischen
Umsetzung der buddhistischen Lehrinhalte interessiert war.
@@@@@ Die Kursangebote sprachen studentische, alternativkulturelle
und bürgerliche Kreise und Milieus an. Die Anhängerschaft des
tibetischen Buddhismus zeigte demographisch eine homogene Struktur:
überwiegend waren und sind dies Personen im Alter zwischen Ende 20 und
Ende 30 mit einem vergleichsweise gehobenen Bildungsniveau.h (Baumann
1995a:111).
@@@@@ Kursorisch sollen die wichtigsten der neu aufgetretenen
Traditionslinien und ein paar zentrale Persönlichkeiten genannt werden.
8.1. Tibetische Richtungen
@@@@@ Die tibetische Gelugpa-Richtung fasste schon 1977 mit der
Einweihung eines gTibetischen Zentrums e.V.h durch Geshe Rabten in Hamburg
Fuß. In Süddeutschland entstand das gÂryatara-Institut e.V.h,
das aus einer aus demselben Jahre datierenden Gruppe, die sich um Lama Thubten
Yeshe (1936-1984) und Lama Thubten Zopa Rinpoche (geb. 1946) gebildet hatte,
hervorging. Ein Ableger in Erlangen führte 1985 zur Gründung des
gChödzong–Buddhistisches Zentrum e.V.h in Langenfeld. Es wird vom
hochrangigen Loden Sherap Dagyab Rinpoche (geb. 1939) geleitet, der auch seit
1966 an der Universität Bonn Tibetologie unterrichtet und für eine
gkulturneutraleh Vermittlung der Essenz des Buddhismus eintritt.
@@@@@ Ebenfalls Ende der 70er Jahre bildeten sich erste Gruppen der Kagyüpa,
der kleinsten Vajrayâna-Tradition Tibets. Besonders rege betätigte
sich Ole Nydahl, sodass schon 1990 ca. 30 Zentren seiner Linie bestanden, die
sich im Karma-Kagyü-Dachverband (KKD) zusammenschlossen. Bekannt durch
seine Schriften und exzentrische Lebens- und Lehrweise wurde Chögyam
Trungpa (1939-1987), der in Amerika über seine 1973 gegründete
Organisation gVajradhatuh und der daran angeschlossenen buddhistischen
Universität, dem Naropa-Institut, eine große Streuwirkung hatte.
Seine andere Trägerorganisation gShambala Internationalh unterhält
Meditationszentren und eine reiche Publikations- und Verlagstätigkeit und
steht für einen innovativen, experimentierfreudigen und
gökumenischenh Buddhismus (cf. Seager 1999:125-8). In Deutschland gab es
Ende 1987 sieben Vajradhatu-Zentren.
@@@@@ Die tibetischen Linien der Sakyapa (seit 1975 in Hannover, ab
den 80er Jahre in Hamburg und Freiburg) und der Nyingmapa (seit 1983) sind in
der Bundesrepublik ebenfalls vertreten. Aus der Nyingma-Tradition stammt Lama
Sogyal Rinpoche, der gleichzeitig eine Bewegung (die gRimeh = gunparteiisch,
ungebundenh) vertritt, die sektenübergreifend wirken will. Er wurde
bekannt durch seinen ausführlichen und sehr persönlichen Kommentar
zum sogenannten gTibetischen Totenbuchh (Sogyal 2002). Seine Organisation gRigpah
(ab 1986 in München) ist auch bei der spirituellen Betreuung Sterbender
und in der Hospizbewegung wegweisend aktiv.
8.2. Soziales Engagement
@@@@@ Diese Aktivitäten sind für diese Übernahmephase
charakteristisch: unter dem von Thich Nhat Hanh geprägten Begriff eines
gengagierten Buddhismush entfalten sich vielfältige Tätigkeiten: gIm
Westen manifestiert sich der sozial engagierte Buddhismus stark in der
Friedens- und Umweltbewegung der 80er Jahre sowie zunehmend in sozialen
Bereichen. Sterbebegleitung, Obdachlosenprojekte, Gefangenenbetreuung und
Entwicklungshilfe können hier als Beispiele der mannigfaltigen Anwendung
buddhistischer Lebensweise genannt werden. Es scheint, dass der sozial
engagierte Buddhismus eine fruchtbare Vereinigung des abendländischen,
nach außen gerichteten, sozialen Aktivismus mit der östlichen, nach
innen gerichteten Erkenntniswissenschaft des Geistes eingeht.h (Eugster
2004:15, der in seiner kurzen Entwicklungsgeschichte und entsprechenden
Phaseneinteilung des Buddhismus im Westen die Zeit ab den 1980er Jahren mit dem
sozialen Engagement charakterisiert).
@@@@@ Die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dalai Lama 1989,
seine häufigen Reisen auch durch europäische Länder, Auftritte
mit und öffentliche Unterstützungserklärungen durch
Hollywood-Größen wie Richard Gere haben das Interesse an Tibet und
seiner Religion gefördert.
@@@@@ Bedeutsam für die jüngere (numerische) Entwicklung
des Buddhismus in der BRD ist die Anwesenheit von Flüchtlingen und
ImmigrantInnen aus asiatischen Ländern, vor allem Vietnam, Laos und
Thailand, deren Anzahl in die Zehntausende geht. Sie werden z.T. von
Mönchen und Nonnen ihrer Heimat religiös betreut und haben in vielen
Großstädten ihre Tempel und Zentren.
@@@@@ Mit der wirtschaftlichen Expansion Japans kam neben dem Zen
auch die Laienorganisation Sôka Gakkai nach Deutschland, die viele
Ortsgruppen unterhält und zwei Zeitschriften vertreibt. In Düsseldorf
wurde 1992 ein shin-buddhistisches Kulturzentrum, das EKO-Haus, gegründet.
Ein dazugehöriger Tempel bietet Raum für reguläre Andachten und
Feiern, die gEKO-Blätterh informieren ausführlich über die
diversen Tätigkeiten.
8.3. Zen
@@@@@ Der Zen-Buddhismus expandierte beachtlich, nicht zuletzt, da er
auf die starke Nachfrage nach Praxis ein klares Angebot bereitstellt. Seminare,
intensive Exerzitien (sesshin),
Bücher und Zeitschriften erhielten viel Zuspruch. Die gZen-Vereinigung
Deutschlandh (Sôtô/Deshimaru-Rôshi) verlegt die Zen-Informationen und unterhält seit 1984 ein eigenes Kloster bei
Neumünster/Plön in Schleswig Holstein – die Gruppen in der
Ausrichtung nach Deshimaru dürften die größte Zen-Organisation
bilden.
@@@@@ Bedeutsam sind auch die vielfach aus der Rinzai und
Sôtô kombinierenden Splittergruppe Sanbôkyôdan
hervorgegangenen Lehrer eines gZen für Christenh, z.B. Ennomiya-Lassalle
oder der Benediktiner Willigis Jäger. Dabei wird vermerkt: gUngeachtet
ihrer bescheidenen Größe hatte die Sanbôkyôdan einen
übermäßigen Einfluß auf das Zen im Westen. ... der Einfluß
... übersteigt jede Verhältnismäßigkeit gemessen an ihrem
relativ marginalen Status in Japan ... .h (Sharf 1995a:425 u. 419).
@@@@@ Außerdem konnten sich Zen-Schulen vietnamesischer und
koreanischer Provinienz etablieren und zunehmend sind europäische und
amerikanische autorisierte Zen-Meister aktiv, die genuin gwestlicheh
Übertragungslinien (aus)bilden. Insgesamt existierten 1991 in der
Bundesrepublik 61 Zen-Kreise (Baumann 1995a:103, mit weiteren Details auf
100-102).
@@@@@ In den 80er Jahren kam es zur Gründung weiterer diverser
buddhistischer Gruppen, vom Theravâda bis zu
philosophisch-weltanschaulich orientierten Gruppen, die einen europäischen
bzw. westlichen Buddhismus auszubilden trachten.@@@
@@@@@ 1992 wurde die gVipassanâ-Vereinigung Deutschland e.V.h
ins Leben gerufen. Sie sei erwähnt, weil sie symbolisch für die zunehmende
Popularität der vipassanâ genannten Form des Achtsamkeitstrainings
und der Einsichtsmeditation steht.
8.4. DBU
@@@@@ Der steigenden Organisationsvielfalt und laufenden
Ausfächerung der buddhistischen Szene stehen Bemühungen einer
Einbindung und gemeinsamen Vertretung nach außen gegenüber. Die
staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft wurde anvisiert und dazu wurde
parallel zur 1984 auf 16 Mitgliedsgemeinschaften angewachsenen DBU die
gBuddhistische Religionsgemeinschaft in Deutschland (BRG)h konstituiert.
Nachdem Gewähr der Dauer und finanziell ausreichende Mittel nicht
hinreichend nachgewiesen werden konnten, schlug der Antrag fehl und wurde
zurückgezogen. 1988 wurden die beiden überregionalen Verbände
zur gDeutschen Buddhistischen Union e.V. Buddhistische Religionsgemeinschafth
vereint.
@@@@@ g1991 waren 27 buddhistische Organisationen und Gruppen
Mitglied in der DBU. Die DBU repräsentierte damit den weit
überwiegenden Teil buddhistischer Organisationen und deutscher Buddhisten
und Buddhistinnen. Angaben zum quantitativen Umfang des Buddhismus in
Deutschland belaufen sich auf ca. 40.000 deutsche und ca. 40.000 asiatische
Buddhisten.h (Baumann 1995a:110). 2004 waren schon 54 Gemeinschaften in der
DBU. Seit 1987 wird das Magazin gLotusblätterh herausgegeben, das 2003 in
gBUDDHISMUS aktuellh umbenannt wurde und gein Forum für alle in
Deutschland vertretenen Traditionen ist. Diese gemeinsame Zeitschrift ist
einmalig in Europa und wird von Vertretern der Buddhistischen Unionen im
übrigen Europa als vorbildlich betrachtet.h (Vajramala 2004:22).
Der
Buddhismus in Deutschland bietet ein vielfältiges Bild, nahezu alle
großen Traditionen und Schulen sind vertreten. Schwerpunkte verlegten
sich vom theoretisch aufgegriffenen Theravâda (Pâli-Kanon) in
Richtung Zen und nach einem tibetischen Vajrayâna-Boom hin auf
praktizierten Theravâda in Form des vipassanâ und therapeutisch
informierter Meditationstechniken. Die einst überwiegend
kognitiv-rationale Aneignungsform wich zunehmend einer praktisch-emotionalen;
den kleinen Privatzirkeln von ehedem stehen heute Seminarhäuser,
Groß(stadt)gesellschaften, Lebensgemeinschaften und dank der
Öffentlichkeitsarbeit und Prominenz des Dalai Lama und des vietnamesischen
engagierten Buddhisten Thich Nhat Hanh eine große Zahl von Sympathisanten
gegenüber.
8.5. Expansion in
Österreich
In
Österreich zeichnet sich mit den 80er Jahren eine Phase ab, die
deckungsgleiche Trends mit der oben von Baumann als sechster Rezeptionsperiode
beschriebenen Epoche aufweist: Pluralisierung der Richtungen, Ausweitung des
Kurs-, Seminar- und Retreat-Angebots, sukzessives Aufkommen neuer Gruppen mit
größerer regionaler Streuweite nahezu bis zur Art einer gneuen
Unübersichtlichkeith, sichtbare Präsenz hingegen dank der Errichtung
von buddhistischen Pagoden und Anlagen und eine Proliferation des Schrifttums
von sowohl asiatischen wie westlichen Lehrern.
Beispielhaft
für die neue Vielfalt seien im folgenden einige der neu entstandenen
Gruppen/Zentren (in Klammer das Gründungsjahr) genannt: Dharmadhatu Shambala
Meditationszentrum Wien (1980), Dorje-Ying-Nyingmapa Zentrum (1981),
Shitennôji Kulturzentrum Hinterbrühl (1981), Österreich-Zweig
des Ârya Maitreya Mandala (1981), Tashi Rabten-Gemeinschaft Gut
Letzehof/Feldkirch (1982), Karma-Kagyü-Orden Wien/Graz (1983), Drikung
Kagyüdpa-Orden (1983), IMC-Austria Sagyagi U Ba-Khin-Zentrum/Klagenfurt
(1984), Sanghamitta-Gruppe Buddhismus im Westen (1985), Zen-Gemeinschaft
Kannon-Do/Innsbruck (1986), Naikan-Zentrum Neue Welt (1986), Kultur- und
Sozialverein der vietnamesischen Buddhisten in Österreich (1987),
Gelugpa-Gruppe Wien (1987), Zendô Innsbruck (1987), Österreichische
Dzogchen-Gemeinschaft (1988), Naikan-Zentrum Salzburg (1989), Sakya-Gruppe Wien
(1989), Zen Dôjô Wien (Sôtô nach Taisen Deshimaru
Rôshi; 1993), Kwan Um Zen (koreanische Linie nach Seung Sahn; 1993), She
Drup Ling/Buddhistisches Zentrum Graz (1995), Senkozan Dôjô Wien
(1997), Karma Chagchen Ling (1997), Karma Kagyü Sangha (1997).
@@@@@ In der Österreichischen Buddhistischen
Religionsgesellschaft (ÖBR) sind 16 verschiedene Gruppen vereint, etliche
Gruppen sind nicht Mitglied der ÖBR. gEine Erhebungh, heißt es
für das Jahr 1998, gstellt 16.300 BuddhistInnen in Österreich fest.h
(Ursache & Wirkung Sondernr.
Herbst 1998, 8). Profil nennt rund
20.000 Menschen, die sich in Österreich zum Buddhismus bekennen. Der
Artikel ist mit gBesser als Jesush betitelt und das Titelblatt des Magazins
ziert ein Foto des wohl bekanntesten Buddhisten mit der erläuternden
Unterschrift gDalai Lama Superstarh, darunter: gWie der Buddhismus zur
Modereligion wurdeh (Profil Jg.
33/ Nr. 41 vom 7. Oktober 2002, 150-158). Es wird von der für den 11. bis
23. Oktober angesetzten Veranstaltung gKalachakra für den Weltfrieden Graz
2002h berichtet, in dessen Rahmen tantrische Rituale unter der Leitung des
Dalai Lama abgehalten werden sollen. Neben einigen sachlichen Informationen
überwiegt gemäß Kriterien des Nachrichtenwerts das
Sensationelle und Kontroversielle, wie schon die Aufmache des Artikels ahnen
läßt.
@@@@@ Die ÖBR als Organisation hat ein Präsidium
(Präsident, Vizepräsident, Generalsekretär) und einen Sangharat
(mindestens zehn Personen), der von einem Mitglied der Gemeinde und Vertretern
einzelner Gruppen beschickt wird und das Präsidium inkludiert. Die Gruppen
werden gOrdenh genannt, wenn sie von asiatischen Traditionslinien herkommen und
gDharmagruppenh, wenn sie im Westen entstanden sind. Etwa die Hälfte der
Gemeindemitglieder ist in einer dieser Gruppen organisiert, die andere
Hälfte gehört keiner Gruppe an – übrigens eine spezifisch
westliche Erscheinung. Sie bezeichnen sich gelegentlich als NOB
(Nicht-Organisierte-Buddhisten), manche mit humoristischem Unterton gar als
SNOBs (Sicher-nicht-Organisierte-Buddhisten). Angelegenheiten von Stiftungen
und Anstalten unterstehen dem Sangharat. Die ÖBR vertritt den Buddhismus
nach außen und ist auch für den Religionsunterricht zuständig.
Sie beschickt auch die TV-Sendung gDie Lehre des Buddhah mit geeigneten
Präsentatoren. Vierteljährlich gibt sie ein Programmheft heraus. Sie
ist außerdem Mitglied in der gEuropean Buddhist Unionh (EBU), einem
Zusammenschluß europäischer buddhistischer Organisationen.
@@@@@ Charakteristisch für Österreich ist die urbane
Konzentration was sowohl die Mitgliederverteilung als auch die organisatorische
Leitung angeht. Die Metropole Wien ist auffallend dominant: gIn keinem anderen
mitteleuropäischen Land c gibt es eine solche zentralistische Ausrichtung
des Buddhismus auf e i n e Stadt (Wien) wie in Österreich.h (Schriftliche
Mitteilung von Friedrich Fenzl vom 21. Februar 2006).[10]
Das geht soweit, dass die gPeripherieh, da sie sich zu wenig repräsentiert
und in ihren Anliegen (zuweilen) ignoriert sieht, z.T. unabhängig ihren
Weg geht. So hat die Salzburger Gemeinde etwa eine eigene buddhistische
Briefmarke herausgegeben und an seinem Religionspädagogischen Institut
eine Ausbildung zum buddhistischen Religionslehrer eingerichtet.
@@@@@ In der ÖBR sind buddhistische Gruppierungen aus diversen
asiatischen Ländern unter einem Dach versammelt. Schulrichtungen, die in
Asien aus geographischen Gründen nie in Kontakt gekommen sind, befinden
sich plötzlich auf engem Raum beieinander - zuweilen buchstäblich
unter demselben Hausdach ... gaus diesem buddhistischen Miteinander scheint
eine neue Pflanze, ein neuer Baum zu entstehen: der Buddhismus im Westen. Schon
in den asiatischen Mutterländern hatte sich ja das äußere
Gesicht, hatten sich die Belehrungen und Praxismethoden des Buddhismus in jedem
neuen Land, in das er kam, gewandelt. Im Westen kommt nicht nur die neue Kultur
hinzu, sondern auch die Besonderheit, daß man alle buddhistischen
Richtungen kennenlernen kann. In Asien hat es das in dieser Form bisher noch
nicht gegeben. In Europa und in Asien ist ein Wandlungsprozeß des
Buddhismus im Gange, und es hat den Anschein, daß dieser in Österreich
ganz besonders rasch und intensiv erfolgt. Eine Ursache dafür ist sicher
durch den Zusammenschluß aller buddhistischen Richtungen und
Gruppierungen in einer einzigen Religionsgesellschaft gegeben.h (Riedl 1998:5).
@@@@@ Die Deutsche Buddhistische Union (DBU) feierte im Jahre 2005
ihr 50-jähriges Bestehen. In gihrerh Zeitschrift Buddhismus aktuell 2/2005 finden sich etliche Beiträge dazu, in
denen kritisch Bestand aufgenommen und sensibel problemsondierend prognostische
Annahmen formuliert wurden. Mehrfach wurde auf das von 56
Mitgliedsgemeinschaften in einer neuen Version verabschiedete Bekenntnis als
Meilenstein und Unikum verwiesen. Es finde sich gein solches Bekenntnis, dem
unterschiedliche buddhistische Traditionen zustimmen, sonst nirgendwo auf der
Welt.h (Frey 2005:29).[11]
Was dem vorausgegangen ist, wird auch zukunftsbegleitend für kreative
Spannung sorgen: die Diskussion darum, was als unverkürzbare gEssenzh und
was als (entbehrlich) gKulturspezifischesh des Buddhismus zu betrachten sei.
@@@@@ Ein solches Unterfangen ist hinwieder ein sehr gwestlichesh,
dito der Versuch einen gwestlichen Buddhismush zu etablieren oder zu
definieren. Dazu passt, was Zotz in einem eher skeptischen (Buch)Resümee
anschraffiert: gIn China, Japan oder Tibet versuchte man nie, einen eeigenenf
Buddhismus im Unterschied zum Land der Herkunft zu schaffen. Man wollte
Buddhismus lernen und verstehen. In diesem Prozeß entstanden automatisch
eigene Ausprägungen, die nie als solche intendiert waren.
@@@@@ Auch wer in Europa und Amerika asiatischen Lehren folgt, tut
dies als westlich geprägtes Subjekt. Wo Metaphysik eine geringe Rolle
spielt, läuft die Vermittlung oft stärker über Formen als
über Inhalte. Man sitzt, spricht den Namen des Buddha, rezitiert ein
Sûtra. Was in seiner Unmittelbarkeit zur Befreiung dienen soll, wird dem
Europäer leicht zum Anreiz, neue metaphysische Überbauten zu
schaffen. Philosophisch und existentiell, die Begegnung des Westens mit dem
Buddhismus steht noch am Anfang.h (Zotz 1996:304).
Das
gemeinsame Bekenntnis für Buddhisten in Deutschland verweist gleichwohl
auf eine traditions- und kulturübergreifende gökumenischeh Haltung
hin. Es wird hier Ähnliches wie oben in Österreich beobachtet: gDie
Präsenz des Buddhismus außerhalb Asiens ist durch räumliche
Nähe und unmittelbare Begegnung unterschiedlicher buddhistischer Schulen
und Traditionen gekennzeichnet. Im Gegensatz zu Asien, das über tausende
von Kilometern und durch eine Vielzahl von Sprachen getrennt ist, hat sich in
westlichen Ländern eine Kultur der Begegnung und des Betonens von
Gemeinsamkeiten entwickelt.h (Baumann 2005:44). Eine damit sich abzeichnende
gbuddhistische Ökumeneh führe aber nicht zu einer Vereinheitlichung
von Lehren und Praktiken und auch nicht zu einem monolithischen gwestlichenh
Buddhismus, vielmehr zu verschiedenen Ausprägungen in verschiedenen
Kontinenten und Ländern.
@@@@@ Wie weit diese vorerst ideell angestrebte Ökumene im
alltäglichen Wirken und Werken der einzelnen buddhistischen Gruppen auch
reale Gestalt annimmt, ist offen. Für die USA bemerkt der
Religionshistoriker Seager: gAuf meinen Reisen und in vielen Gesprächen
war ich oft verblüfft vom Ausmaß, in dem viele Gemeinschaften mehr
oder weniger kommunikativ voneinander abgeschnitten waren. Trotz
intra-buddhistischem Dialog auf nationalen, regionalen und lokalen Ebenen und
Phänomenen wie geteilten und gemischten Praktiken, entwickeln sich viele
Gruppen weiterhin ziemlich unabhängig.h (Seager 1999:233). Eine
Beobachtung, die für den deutschen Sprachraum wohl in gleicher Weise zutrifft.[12]
Für
Deutschland bemerkt Baumann, dass die buddhistischen asiatischen Immigranten
noch zu wenig eingebunden, ggehörth und repräsentiert sind. Austausch
mit den (deutschen) Konvertiten ist erst zaghaft im Gange. Beide gLagerh
entwickeln und adaptieren hingegen ihre Lehrinhalte und Praktiken in einer
Weise, die ihnen dauerhafte Präzenz gewährleisten soll. gDie
jeweiligen Neuformulierungen stehen in der Spannung, das jeweils
asiatisch-kulturbedingt Geprägte abzustreifen, ohne dabei Inhalte und
Formen zu sehr zu verwässern und damit der inhaltlichen Grundausrichtung
hin auf buddhistische eBefreiungf zu entkleiden. Absehbar ist zwar, dass
buddhistische Traditionen auch im 21. Jahrhundert im Westen eine klare
Minderheitsreligion bleiben werden. Zugleich zeichnet sich jedoch ab, dass
Buddhist- bzw. Buddhistin-Sein zukünftig nicht bloß als
modisch-trendy oder exotisch-fremd angesehen wird, sondern als enormalerf,
unaufgeregter und akzeptierter Bestandteil der vielfältigen
Religionslandschaften westlicher Länder.h (Baumann 2005:46).
8.6. Helvetische Spezifika
Die Entwicklung in der Schweiz verlief ähnlich
wie in Deutschland: Vervielfachung und Pluralisierung bei den buddhistischen
Institutionen: Ende der 1990er Jahre bestehen an die hundert Gruppierungen und
Zentren, fast die Hälfte stehen in tibetischer Tradition, ein knappes
Drittel sind dem Mahâyâna zuzuordnen (davon zwei Drittel dem Zen)
und ein Fünftel dem Theravâda, der mit Meditationsangeboten im Stile
des vipassanâ an Terrain gewinnt. Viele sind in der 1976 gegründeten
SBU (Schweizerischen Buddhistischen Union; www.sbu.net) angeschlossen.
Die Schweiz hat auch eine bedeutende buddhistische Immigrantengemeinde mit
eigenen Institutionen: etwa 2.000 Flüchtlinge aus Kambodscha (seit 1983
haben sie ein Khmer Kulturzentrum in Zürich), 4.000 bis 5.000 Vietnamesen,
für die 8.000 bis 9.000 thailändischen BuddhistInnen sorgt das 1996
eingeweihte Wat Srinagarindravaram im Kanton Solothurn. Im Berner Oberland
steht seit 1991 das Kloster Dhammapala in der Lehrtradition des
thailändischen Reformmönches Ajahn Chah (1918-1992).
Unter
den Konvertiten ist der Buddhismus ein weitgehend urbanes Phänomen
für Leute mit höherer, oft akademischer Bildung. Prozentual ist der
Bevölkerungsanteil an Buddhisten in der Schweiz (0,3%-0,36%) höher
als in Deutschland (0,18%) und Österreich (0,25%).[13]
@Als spezifisch helvetisch wird
vermerkt: gIntern haben Buddhisten in der Schweiz bislang wenig im Sinne
gemeinsamer intra-buddhistischer Aktivitäten und Veranstaltungen
kooperiert. Überwiegend verblieben die Gruppen, Zentren und Klöster
strikt bei ihrer jeweiligen buddhistischen Ausrichtung, ohne das Gemeinsame
hervorzuheben, wie dieses etwa in der österreichisch- und
deutsch-buddhistischen Szenerie zu beobachten ist. Womöglich fehlt in der
Schweiz der äußere Druck, der in den Nachbarländern ein
Aufeinanderzugehen der unterschiedlichen Traditionen erwirkte, da Buddhisten
bestrebt waren, die staatliche Anerkennung als Körperschaft
öffentlichen Rechts zu erwirken.h (Baumann 1998:278). Auch eine traditionsübergreifende,
gemeinsame Zeitschrift besteht nicht.
@@@@@ Auf seiner Pilgerschaft in den Westen hat der Buddhismus in der
Konfrontation mit dem dort herrschenden Wertesystem etliche Elemente aus der
lokalen Kultur übernommen. Sie transformieren ihn und geben ihm eine distinktive,
gwestlicheh Gestalt. Dazu gehören: Demokratisierung, Gleichstellung der
Geschlechter (gFeminisierungh und Akzeptanz minoritärer
[gleich]geschlechtlicher Orientierungen), Integration der/in die
Psychotherapie, Aufweichung der Grenzen zwischen monastischen und
Laien-Lebensformen, intra- und inter-religiöser Dialog, soziales
Engagement u.a. (Näheres z.B. in Seager 1999:185-248; Fields 1992:373ff.,
Baumann 1995a:354f. im Hinblick auf einen gEurobuddhismush).
9. Buddhismus-Kritik im
philosophischen Diskurs der Gegenwart: z.B. bei Slavoj Žižek
@@@@@ Dass Buddhismus allerdings sehr verkürzt als
Lifestyle-Element, Wellness-Generator, Psychoreperaturtechnik, Geistestraining
im Dienste der Effizienzoptimierung oder Antistressmittel konsumiert wird
– diese Gefahr wird auch gesehen und im Hinblick auf entsprechende
Zwischenrufe des Philosophen Žižek adressiert: gŽižek wirft
dem westlichen Buddhismus vor, dass er der globalisierten und hochtechnisierten
Gierökonomie des Westens nun auch noch die fehlende spirituelle Metaphysik
und leistungssteigernde, entspannte Gelassenheit liefere – auf dass der
totale Zugriff auf die Welt und alles Leben noch effizienter zu Ende
geführt werden kann.h (Litsch 2005:50). So schrieb Slavoj Žižek
in Le Monde diplomatique vom 13.
Mai 2005:
gDer ewestliche Buddhismusf
präsentiert sich zwar als das Heilmittel gegen die nervenaufreibende
Spannung der kapitalistischen Dynamik, das es uns erlaubt, uns auszuklinken und
unseren inneren Frieden und unsere Gelassenheit zu wahren, doch tatsächlich
funktioniert er als die perfekte ideologische Ergänzung zur Dynamik des
Kapitalismus. ... Die ewestlich-buddhistischef meditative Einstellung ist die
für uns wohl effizienteste Methode, vollständig an der
kapitalistischen Dynamik teilzunehmen und gleichzeitig den Anschein geistiger
Gesundheit zu wahren.h
Diese
Formulierung findet sich in seinen Büchern wieder(holt), in denen er den
gwestlichenh Buddhismus als Fetisch beschreibt: Fetisch im Sinne eines Ojektes,
das Realitätsbewältigung ermöglicht, indem es hilft, die brutale
Wirklichkeit abzufedern und nicht in seiner nackten Ganzheit zu konfrontieren.
Der westliche Buddhist sehe nicht die gWahrheith, die darin bestehe, dass seine
Existenz in der gesellschaftlichen Verstrickung und Auslieferung an die Logik
des Kapitals in jedem Bereich bestehe: das tue er als bloßes Spiel ab. gc
wo ist der Fetisch, der es Ihnen ermöglicht (so zu tun), als würden
Sie die Realität eso akzeptieren, wie sie istf? Der ewestlichef Buddhismus
ist solch ein Fetisch. Er ermöglicht es seinen Anhängern, dem
atemberaubenden Tempo des kapitalistischen Spiels standzuhalten, und
stützt zugleich die Eigenwahrnehmung, daß man nicht wirklich Teil
desselben sei, sondern durchaus sehe, wie sinnlos dieser ganze Zirkus ist. Was
wirklich zähle, sei der Seelenfrieden, auf den man sich immer
zurückziehen kann.h (Žižek 2001:65-66). Ein gPhänomen der
Popkulturh sei der westliche Buddhismus, der guns inneren Abstand zum und
Gleichgültigkeit gegenüber dem rasenden Tempo des ökonomischen
Wettbewerbs predigt, für uns wohl die effizienteste Methode, an der
Dynamik des Kapitalismus teilzuhaben und dabei den Anschein geistigen
Wohlbefindens zu wahren – kurzum die paradigmatische Ideologie des
Spätkapitalismus.h (Žižek 2003:29).[14]
Es
funktioniert dies aber nur, weil die buddhistische Botschaft nicht in ihrer
Radikalität gelebt wird: immer noch ist die Ich-Anhaftung und das
prinzipiell maß- und grenzenlose Begehren leitend: gBei aller derzeitigen
Offenheit der westlichen Welt gegenüber dem Buddhismus, die grundlegende
Ich-Orienierung ist dort in keiner Weise verschwunden, sondern reinkarniert
sich nur in neuer Gestalt: im Konzept der konsumfreudigen Selbstverwirklichung,
der marktbewussten Ich-Inszenierung, des psycho-, body- und biotechnischen
Persönlichkeitsdesigns.h (Litsch 2005:50). Wenn der Buddhismus dafür
in den Dienst genommen wird, hat man sich Žižekfs Kritik zu Herzen zu
nehmen. Der Buddha hatte dagegen etwas ganz anderes im Sinne: Befreiung vom
Leiden aufgrund von Einsicht in die versklavende Dynamik von Gier, Begehren und
Verblendung und die Illusionshaftigkeit eines Ich oder das Anhaften an eine
gPersönlichkeith und die Unbeständigkeit aller Erscheinungen in der
Welt der Namen und Formen. Litsch erklärt folgerichtig: gEin westlicher
Buddhismus muss darum zuallererst wahrhafter Buddha-Dharma sein und nicht
buddhistisch verpackte und angereicherte westliche Kultur zur Erfüllung
aller unserer Ansprüche auf perfektes Glück.h (Litsch 2005:51). Und
wenn der Buddhismus von Glück spricht, dann meint er im Letzten ein
Glück, gdas nicht von dieser Welt ist.h
Auch
ein tibetischer Lama moniert oben Vermerktes unterstreichend und im Hinblick
auf den gImporth der Lehre (des Dharma) im Westen sehr kritisch: solange nicht
das Grundproblem der Ichbezogenheit angegangen und gelöst werde, verleibe
man sich die Lehre in einer gEgo-Versionh ein und nasche nur
geschmäcklerisch an ihr herum. Er spricht von gder westlichen
Einkaufsbummel-Mentalität, die den Dharma als Ware und die eigene
Beschäftigung mit ihm als Investition betrachtet und nur das zu
akzeptieren bereit ist, was den eigenen gewohnheitsmäßigen
Erwartungen entspricht, und alles ablehnt, was nicht augenblicklich
befriedigend zu sein scheint.h (Khyentse 2002:175 u. 177). So besehen betrifft,
was Žižek kritisiert, weniger den Buddhismus als solchen, als viel
eher die Mentalität, mit der er im Westen konsumiert und zu
eigennützigen Zwecken dienstbar gemacht wird.
Žižekfs
Behandlung von Religionen ist überdies als ghegelianischh (! cf. 3.1
dieses Aufsatzes) und eurozentrisch gebrandmarkt worden, vor allem der Anspruch
des Universalismus in bezug auf das Christentum (und nur auf dieses?) und
dessen herausragender Stellung in der Geschichte der Religionen. Dabei sei er
nicht am faktischen, historischen Christentum, vielmehr an einer textuellen,
abstrahierten und idealisierten Konstruktion des Christentums interessiert, die
in ein psychoanalytisches Narrativ eingebettet wird, das naturgemäß
in Europa verwurzelt ist (cf. Hart 2002 u. 2003). Für einen erklärten
atheistischen Materialisten präsentiert Žižek die christliche
Konfession in der Tat mit einer merkwürdig triumphalistischen Geste. Der
von ihm dem westlichen Buddhismus zugeschriebene Fetischcharakter kann im
übrigen auch allen möglichen anderen spirituellen, therapeutischen,
esoterischen, mystischen, schamanistischen, neo-paganen u.ä. Lehren und
Praktiken auf dem neu-religiösen Markt zu eigen sein bzw. durch die Art
ihrer Aneignung zukommen.
Vielleicht
gibt es noch eine – von Žižek übersehene und mehrfachen
Lacanfschen Lesungen offenstehende - Steigerungsform der Fetischisierung: Die
ultimative religiöse Ideologie für das Überleben im entfesselten
Kapitalismus biete der Tantra: hier geht es nicht mehr nur um gelassene
(Schein)Distanzierung, sondern um das durch Bewusstheit und Deklaration zum
Erleuchtungskatalysator potenzierte, mit vollem Einsatz Mitspielen – und
von dieser Haltung werden diverse buddhistische Richtungen nicht ausgenommen.
Alles (Materiell-Physische) wird alchemistisch in eine diffuse gspirituelle Energieh
konvertiert und ungezügeltes Triebausleben ebenso wie ungehemmter Konsum
als spirituelle Verwirklichung verkauft.
Scharfer
Sex dank meditativ geschärftem Bewusstsein! Das intensive Auskosten des
Augenblicks (ghier und jetzth) und ein reuefreier Hedonismus gelten als so
zentral wie das sehr gamerikanischh (calvinistisch) anmutende Motto: Geld ist
geil! Und es haben ist Zeichen für spirituelles Wohlergehen. Tantrismus
gist in vieler Hinsicht eine Form von Spiritualität, die ideal auf die soziale
und ökonomische Situation der kapitalistischen Konsumkultur des
späten zwanzigsten Jahrhunderts zugeschnitten ist – eine Form von
Spiritualität, die magischerweise Hedonismus und Transzendenz,
Selbstverwirklichung und innerweltliche Prosperität zu vereinen imstande
ist.h (Urban 2000:303).
Diese
Anverwandlung des Tantra ist zugleich nur ein Beispiel dafür, wie
traditionelle religiöse Wege adaptiert, transformiert, ausgebeutet und
selektiv angeeignet werden. Das gilt, wie Urban beispielhaft anführt, etwa
für die Art der Vereinnahmung der Spiritualität der Native
Americans oder Afro-Brasilianischer
Bewegungen wie Santeria oder Candomble oder gar traditionellen jüdischen
Traditionen wie der Kabbalah. Diese Aufzählung kann im Zeichen der
Globalisierung auf alle möglichen anderen Kulturen und Epochen ausgedehnt
werden: es ist alles im Angebot und nachgefragt: der Buddhismus im Westen ist
Teil des religiösen Marktes und muss/(versucht) sich auf diesem (zu)
behaupten.
10. Noch einmal Buddhismus
heute: Auf dem Markt der Religionen
In
den industrialisierten Gesellschaften des Westens hat sich ein veritabler
gMarkt der Religionenh herausgebildet. Voraussetzung dafür sind nicht nur
die ökonomischen Bedingungen der Moderne, nach denen alles den Gesetzen
des Marktes unterworfen wird, der damit zur umfassenden Instanz der Vermittlung
nicht nur von materiellen, sondern auch von geistigen Gütern und sozialen
Beziehungen geworden ist, sondern die Religionsfreiheit. Diese wurde in
monotheistisch dominierten Gesellschaften zumal hart errungen und im Rahmen der
Französischen Revolution 1789 als Menschenrecht mit gla liberté
de tous les cultesh festgeschrieben.
Heutzutage gibt einem das nicht nur das Recht, seine Religion frei zu
wählen, sondern auch das Recht, eine (neue) Religion anzubieten. Religion
wird nicht mehr vorschreibbar, sondern gstaatsfreih: der Staat hat sich
jeglichen Eingriffs in religiöse Vorstellungen und Gemeinschaften zu
enthalten. Desgleichen dürfen reziprokerweise aus einem irgendwie
gearteten religiösen Glauben keine Ansprüche auf die Gestaltung des
Staatswesens abgeleitet werden. Die Religion und der Glaube werden damit zur
Privatsache.@@@@
@@@@@ gDas Recht der Religionsfreiheit jedes einzelnen, aus seiner
Religionsgemeinschaft auszutreten, in eine andere einzutreten, an den
kultischen Veranstaltungen teilzunehmen oder auch nicht, die Glaubenslehren
seiner Kirche anzunehmen oder sie sich selber zu bilden, auf der einen Seite
und die Auflösung von Staats- und Volkskirche, die zumindest juristische
Aufhebung der Diskriminierung der überlieferten kleineren religiösen
Gemeinschaften und die Entstehung neuer religiöser Gruppierungen auf der
anderen Seite, konstituieren die Grundelemente eines Marktes von Angebot und
Nachfrage.h (Zinser 1997:31).
@ Durch die Marktöffnung und Liberalisierung
für Religionsanbieter hat sich eine Unzahl an religiösen,
spirituellen, okkulten/esoterischen, therapeutischen oder neu-heidnischen
Gruppierungen gebildet, die z.B. mit dem Begriff gNew Ageh mühsam unter
einen Nenner versammelt werden. Diese Gruppen konkurrieren miteinander auf dem
Freizeitmarkt, da Religion in der Gegenwart zumeist nach der Arbeit,
während dem Feierabend oder am Wochenende gkonsumierth wird. Die
gPrivatisierungh oder gIndividualisierungh des Religiösen hat auch dazu
geführt, dass der kollekiv verbindliche Charakter verlorengeht und jeder
aus allen möglichen Versatzstücken seine eigene gReligionh
zusammenkomponieren und auch feilbieten kann. So entstehen unzählige
Privat- oder Patchwork-Religionen, die sich gan einer Ästhetik der
Bricolage orientieren.h (Macho 2006:A 2).
Wie
auch Charles Taylor darlegt, hat sich unter den Leitsternen individuelle
Konsumkultur, Expressivität, gegenseitige Selbstdarstellung, Suche nach
gAuthentizitäth en masse, Ich-Zugewandtheit und Vervielfältigung der
religiösen Optionen eine neue Art der Religiosität entwickelt:
gc ein größerer Kreis
von Menschen äußert religiöse Überzeugungen, die sich
außerhalb der christlichen Orthodoxie bewegen. Ganz in diesem Trend liegt
das Wachstum nichtchristlicher Religionen, besonders solcher, die aus dem
Orient stammen, und die rasche Ausbreitung von New-Age-Praktiken, von
Auffassungen, die sich über die Einteilung in humanistisch/spirituell
hinwegsetzen, und von Praktiken, die Spiritualität und Therapie verbinden.
Zusätzlich nehmen immer mehr Menschen Positionen ein, die man früher
als unvertretbar angesehen hätte. Sie halten sich zum Beispiel für
katholisch, erkennen jedoch viele wichtige Dogmen nicht an, oder sie
kombinieren das Christentum mit dem Buddhismus, oder sie beten, sind sich aber
nicht sicher, daß sie glauben. Damit soll nicht gesagt sein, daß
man Positionen wie diese in der Vergangenheit nicht eingenommen hätte
– sondern nur so viel, daß es heute einfacher ist, sich offen
darüber zu äußern. c All das stellt die Konsequenz
expressivistischer Kultur dar, soweit diese sich in unserer Welt auswirkt. Sie
hat eine völlig neue Lage geschaffen.h (Taylor 2002:96).
Inmitten
dieser gneuen Lageh ist der Buddhismus ein Mitspieler und Mitanbieter und auch
Mitkonkurrent. Der gneuen Lageh entspricht naturgemäß auch ein
bestimmtes Verhalten seitens des Religionskonsumenten. Eine Religion muss nicht
mehr im ganzen Paket übernommen werden. Das Paket kann aufgeschnürt
und derjenige Inhalt entnommen werden, der dem eigenen Gusto gerade entspricht.
So können auch buddhistische Meditationskurse besucht oder kann in
buddhistische Seminare hineingeschnüffelt werden, ohne dass damit eine
existentielle Ausrichtung oder gar Konversion zum Buddhismus einhergehen.
Die
Säkularisierung hat eine Abwendung von den Großreligionen mit sich
gebracht – die heute allerdings von einer alle Konfessionen
durchziehenden Fundamentalisiserung konterkariert wird. In den
hochindustrialisierten Ländern des Westens hat diese Abkehr durchaus auch
ein gewisses Mißtrauen und Skepsis gegenüber den etablierten
Weltreligionen mit sich gebracht. Diese Einstellung mag auch auf den Buddhismus
als organisierter Religion projiziert werden und in manchen Fällen dazu
führen, dass von einem formalen Bekenntnis zum Buddhismus Abstand genommen
wird. Sicher ist, dass das Sympathisantenumfeld um ein vieles größer
sein dürfte, als die Zahl der Mitglieder in buddhistischen Gruppen. Die
Anzahl derer, die mal ein Buch des Dalai Lama lesen, mal eine Website buddhistischen
Inhaltes einsehen[15],
mal einen vipassanâ-Workshop oder den Vortrag eines buddhistischen
Würdenträgers besuchen oder sonstwie am Buddhismus – wenn auch
ein noch so flüchtiges - Interesse bekunden, ist – im doppelten
Sinne - kaum fassbar.
Die
Präsenz des Buddhismus wird zusehends als etwas Alltägliches und
Normales wahrgenommen. Für Interessenten ist er jederzeit (und virtuell
per Mausklick jederorts) zugänglich geworden. Der Buddhismus ist im
deutschen Sprachraum längst angekommen und hat sich vielgestaltig und vielerorts
niedergelassen. Und er wird bleiben und florieren – im auch hier
vielleicht mehrdeutigen Sinne: Blüten treiben.@
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(ISSN 1340-5632)
[1] Anmerkung zur Rechtschreibung: der Haupttext folgt
weitgehend den neuen Orthographieregeln. Bei Zitaten wird die Schreibweise des
jeweiligen Originals übernommen.
[2] Dass die Konstruktion von indo-europäischen
oder gar indo-arischen Verwandtschaften in Sprache, Kultur, Mythen und
religiösen Anschauungen etc. in der Folge an einen mörderischen
Anti-Semitismus-Diskurs angekoppelt wurde, ist freilich ein anderes, für
eine weitere Analyse hier viel zu komplexes dunkles Kapitel (siehe z.B. Pollock
1993). Nur bei einer gewalt(tät)igen Streckung des Begriffes kann jedoch
bei der gKonsumationh der respektiven Spekulationen der deutschen Indologie des
19. Jahrhunderts in der NS-Zeit in Form einer (Indogermanen-)Rassenideologie
noch von gOrientalismush gesprochen werden.
[3]Nietzsche 2000:282 ( 370), für das Folgende cf.
240 ( 346). Übrigens war Nietzsche durch seine lebenslange Freundschaft
mit Paul Deussen (1845-1919) indologisch informiert und auf dem aktuellen
Stand. Deussen hinwieder kommt das Verdienst zugute, die indische Philosophie
als ein zur westlichen paralleles, eigenständiges und gleichberechtigtes
Wahrheitsstreben erkannt zu haben. Er war der ggroße Bahnbrecher, der wie
kein anderer zu seiner Zeit dazu beigetragen hat, der Philosophie der Inder den
ihr gebührenden Platz in dem Gesamtgebiet der Philosophie zu sichern.h
(Glasenapp 1960:126).
[4] Diese Beobachtung hingegen dürfte bis in die
Gegenwart Gültigkeit besitzen. Der nicht antithetisch aus der westlichen
Tradition erwachsene Buddhismus mit seiner alternativen Ontologie, metaphysisch
ghinterweltlosenh und anti-materialistischen Ethik sowie seiner
atheistisch/agnostischen Stossrichtung eignet sich hervorragend zu einer
radikalen Kritik an westlichen Denk- und Lebensmodellen. Er böte aber auch
die echte Chance einer Relativierung und Reflektierung des Eigenen im Spiegel
des Anderen.
@@@@@@@ Ferner
kann die gKonversionh auch Rebellion gegen die eigene Religion sein: in England
wird kritisiert, dass buddhistische Ex-Christen oft eine feindselige Haltung
gegenüber dem Christentum ein- oder annehmen: somit haben sie nur eine
exklusivistische Entscheidung für einen Glauben (!) mit einer anderen
vertauscht (cf. Mellor 1991:86). Mithin haben sie auch die tief in ihnen
liegende christliche Matrix eines Absolutheitsanspruches nicht aufgelöst.@@
[5] Gemeint ist sicher Phorkys (auch Phorkos), in der
griechischen Mythologie Sohn der Gaia und des Pontos und Stammvater einer
Legion schrecklicher Scheusale.
[6] Gerade im 19. Jh. nahm die aufklärerisch
motivierte gLeben-Jesu-Forschungh einen deutlichen Aufschwung. Dabei ging es
u.a. um die Historizität der Person Jesu und die Authentizität seiner
biblisch überlieferten Aussprüche, cf. RGG IV. Bd 1960:249f.
[7] Die Repetitionen sind freilich auch als
mnemotechnische Mittel bei der oralen Weitergabe zu verstehen. Sie sind dann
einfach bei der schriftlichen Fixierung beibehalten worden.
[8] Bei einzelnen Daten konsultiere ich (z.T. ohne
entsprechenden Einzelnachweis) die Zeittafeln in Bodhi Baum 18/2 (1993), 8-9 und in Ursache & Wirkung,
Sondernummer: Buddhismus in Österreich (Herbst 1998), 8 und eine von Erich Skrleta in Arbeit befindliche
Chronik, die er mir dankenswerterweise zur Verfügung stellte, wie er mir
überhaupt als unerschöpfliche Auskunftsquelle mehrfach und quasi auf
Abruf zu Diensten war und mich mit wichtigem Material versorgt hat. Ihm sei
hier für seine Hilfestellungen meine besondere Wertschätzung und Dank
ausgesprochen.
[9] Österreich ist das erste westliche Land, in dem
eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft erfolgte. Dies ermöglicht u.a.
nicht nur die Abhaltung buddhistischen Religionsunterrichts an
öffentlichen Schulen und die Errichtung von religiösen Bauten,
sondern half auch, den Sekten-Verdacht zu entkräften.
[10] Angelegentlich möchte ich mich auch für
ein ausführliches Gespräch bzw. informatives Interview bedanken, das
mir Herr Fenzl am 8. März 2006 gewährt hat. Er ist ein Pionier des
(Shin-)Buddhismus in Salzburg und hat daher als Vertreter der gProvinzh in oben
erwähnter gzentralperspektivischerh Hinsicht einen geschärften Blick.
[11] Wobei ich anmerken möchte, dass sich die
Abfassung eines Bekenntnisses am Credo der christlichen Konfessionen
orientiert: es fragt sich, ob der Buddhismus nicht vielmehr eine Erkenntnis-, alsdenn eine Bekenntnisreligion sei. Das Bekenntnis verdankt sich auch dem
Bemühen als Religionsgemeinschaft anerkannt werden zu wollen –
entsprechende staatliche Vorgaben drängen als Leitbild die Kirchen auf.
Aus formalen Gründen wurde eine entsprechender Antrag in der BRD 1986
abgelehnt.
[12]H. Genro Koudela, Leiter des Bodhidharma Zendô
in Wien, äußerte sich in einem Interview vom 10. März 2006 im
Gleichklang dahingehend, dass der Kontakt zu anderen Schulen nicht so sehr auf
einen gAustauschh auf religiöser Ebene hinausgehe, sondern vorrangig
gsozialer Naturh sei. Was es sehr wohl gebe, sind (Gruß)Bekanntschaften,
Freundschaften, gegenseitige Einladungen zu Veranstaltungen, ein von Toleranz
getragenes Gut-Miteinander-Auskommen. Genro sei hier innig gedankt für
seine offen- und warmherzige Auskunfs- und Zuhörbereitschaft.
[13] Zur Problematik der Zahlen Baumann: 1998:272ff.,
dort auch die Prozentangaben für die Schweiz und BRD, für
Österreich: grobe Eigenberechnung nach der Schätzung auf 20.000
Buddhisten im Jahre 1998 (s. o.).
[14] Die in diesem Buch entfaltete Kritik am
Zen-Buddhismus kann hier nicht weiterverfolgt werden. Sie beruht weitgehend auf
der Arbeit von Victoria (2006 [1998]). Dem von Žižek aufgegriffenen
und schon von Koestler Ende der 1950er Jahre erhobenen Vorwurf der ethischen
Gleichgültigkeit des Zen wird u.a. von Fader (1980) überzeugend
begegnet.
[15] Der neureligiöse Markt hat im Internet ein
(kon)geniales Instrument der Selbstdarstellung, virtuellen Gemeindebildung und
Proliferation jeder Art gefunden. Das Ausmaß, in dem hier Information
angeboten, Austausch gepflegt und Klientel rekrutiert wird, ist
forschungsmäßig so gut wie (noch) nicht reflektiert.