Wolfgang Herbert

 

Vihâra und Hospiz - (buddhistisches) spirituelles Sterbegeleit in Japan.

 

1. Introitus

 

      Dieser Artikel ist die leicht überarbeitete und aktualisierte Fassung einer Arbeit, die in einer dem Wiener Japanologen Sepp Linhart gewidmeten Festschrift erstmals erschienen ist (Herbert 2005). Mein Interesse an Sterbebegleitung ist auch japanologischer, mehr noch religionswissenschaftlicher und nicht zuletzt existentieller Natur. Das Thema ist in einer rasant überalternden Gesellschaft wie Japan von hoher Brisanz. Wie in anderen Industriegesellschaften auch wurde der Tod dort tabuisiert und in die Institutionen abgeschoben. Sind 1950 noch 88,9 % der JapanerInnen zu Hause gestorben, waren es 1992 nur noch 23,4 %. Im Falle von Krebs starben im letztgenannten Jahr 93 % im Krankenhaus (Fukuma 2000:149). Eine von der Hospizbewegung eingeforderte ganzheitliche und menschliche Behandlung wird da zumeist nicht geboten. Ich möchte hier ausgehend von der Begrifflichkeit vorerst einen allgemeinen Überblick versuchen, die spirituelle Dimension in der letzten und terminalen Lebenskrise ansprechen und dann einige konkrete buddhistische Initiativen vorstellen, die eine humanere und seelisch befried(ig)ende Betreuung Sterbender ermöglichen sollen. Dabei muss ich aus Platzgründen sehr selektiv und mich oft mit allgemeinen Verweisen begnügend vorgehen.

 

2. Begriffe und Ideale

 

      Das Wort "Hospiz" leitet sich von seiner lateinischen Wurzel hospes ab, das vorerst den "Fremden" bezeichnete. Dem stand eine freundliche (hospitalis) Aufnahme und Bewirtung zu. Hospitium war somit ein Ort, an dem ein Gast willkommen geheißen und Gastfreundlichkeit gepflegt wurde. Später designierte es eine Stätte, an der ein Pilger oder schlicht jemand in Not eine Bandbreite an Hilfeleistungen erhalten durfte. Hospice, hospital, hostel und sogar hotel stammen alle aus derselben lateinischen Wurzel und hatten dereinst nahezu dieselbe Bedeutung (Phipps 1988:94, Kuroda 2000, Saunders 1999:vi; darin jeweils auch zur Geschichte der Hospize, ebenso Yamagata 2000). Kashiwagi bemerkt, dass all diesen Orten/Worten die hospitality gemeinsam sei, also die freundliche und gastliche Aufnahme der Menschen, ein Moment, das in japanischen Spitälern in Vergessenheit geraten sei. Hospiz bedeute daher auch eine Herausforderung an die moderne Medizin, diesen Geist einer freundlichen Aufwartung wiederzubeleben (Kashiwagi 2000:86f.)

      Die Hospizbewegung nahm ja ihren Ausgang nicht zuletzt von einer dezidierten Kritik an der modernen auf Lebensverlängerung um jeden Preis konzentrierten Medizin (darunter am prominentesten und prononciertesten Illich [1975] 1995). In dieser Art von Medizin wurde der Tod mehr und mehr als "Niederlage" für den Arzt und Betriebsfehler in der Maschinerie lebensverlängernder Technologien gesehen. Die Reklamation des Rechtes auf den je eigenen Tod und ein Leben in Würde und mit Qualität bis zuletzt waren von Anfang an Programm für die Hospizbewegung. Diese ist nachgerade als soziale Bewegung, ja als Bürgerbewegung zu sehen. Als solche hat sie auch eine Revolution in der Medizin eingeleitet (daran erinnert zu Recht Kashiwagi 2001:2)

      Zum Terminus "Vihâra": Buddhistische Mönche lebten ursprünglich auf Wanderschaft und waren nur während der jährlichen Regenzeit ortsgebunden. "Die Monsunperiode (Juni bis September) verbrachten die Mönche in Vihâras: Aus Bambus und Matten selbstgebaute oder gestiftete Regenhütten, die nach Ende des Monsuns wieder abgerissen wurden." (Schumann 2001:36). Später wurde den Mönchen Gärten und Behausungen von reichen Gläubigen zum Geschenk gemacht, die Vihâras wurden somit "zahlreicher und solider und verdienten schließlich den Namen 'Kloster'. ... Die ruhige Zeit im Vihâra gab den Bikkhus Muße zur Meditation und Gelegenheit zum Lernen oder Rekapitulieren des Buddhawortes." (Schumann 2001:37)

      Die Termini "Vihâra" und "Hospiz" könnten von ihren Ursprüngen her einander durchwegs angenähert werden. Vihâra bedeutete "Tempel", aber auch "Ort der Ruhe", "Krankenhaus" und diente respektiven Zwecken: dem religiösen Studium und der Unterweisung, aber auch dem Ausruhen und der Krankenpflege. Damit entspreche ein Vihâra ganz einem Hospiz/Hospital der katholischen Kirche (Nagura 1993:29).

      Der Begriff "buddhistisches Hospiz" für "Vihâra" sei hingegen ein Oxymoron. "Hospiz" sei eindeutig christlich konnotiert. Man könne hier nicht Wasser mit Öl zu vermischen suchen. Mit der Verwendung der Bezeichnung "Vihâra" soll die buddhistische Spezifik und Handlungsträgerschaft zum Ausdruck gebracht werden (Tamiya 1993:223-4). 1985 wurde von Tamiya "Vihâra" als konkretes Konzept vorgestellt, womit die japanische Vihâra-Bewegung auch ihr Gründungsdatum erhielt. Es handle sich um eine Institution, die eine terminale Pflege ermöglichen solle, die dem japanischen Boden entspreche und lokalen Lebens- und Todesvorstellungen angepasst sei. Es sei zu hoffen, dass ein Ort (= ideales Vihâra) entsteht, an dem die drei (historischen) Funktionen (Krankenhaus, Tempel, Ort des Studiums) harmonisch und synergetisch zusammenwirken (Tamiya 1993:220 u. 227). Vihâra ist - analog der Hospizbewegung - auch als Institution und soziale Bewegung zu verstehen, als eine buddhistische Aktion, die Schulen/Sekten transzendiert, Wohlfahrt praktiziert und letztlich der ganzen Gesellschaft zu Gute kommt (Tamiya: 1993:219 u. 224). Der Begriff hat sich damit zunehmend ausgeweitet und heute wird jegliche Tätigkeit von Buddhisten im Bereich der Medizin und sozialen Wohlfahrt unter “Vihâra” subsumiert. Somit werden die Bezeichnungen bukkyô kango = buddhistische Krankenpflege und bukkyô fukushi = buddhistische Wohlfahrt alternativ und analog verwendet (Taniyama 2004:42)

      Eine dritte, religiös neutrale und ideologisch kaum besetzte Bezeichnung für die professionelle Betreuung von Patienten, bei denen eine kurative Intervention als nicht mehr erfolgreich gilt, ist "palliative care" (jap. kanwa kea). Das Wort "palliativ" leitet sich vom Lateinischen "pallium" - der Mantel - ab. Die Bezeichnung wurde in ihrer modernen Version von einem Onkologen aus Kanada, Balfour Mount, 1975 im Rahmen einer der ersten Spezialeinheiten in einem öffentlichen Krankenhaus, dem Royal Victoria Hospital in Montreal eingeführt. Lebensqualität bis zuletzt, Linderung der Schmerzen, Hilfe für Betroffene und Angehörige bei Abschied, Trauer und Verlust, interdisziplinäre, ganzheitliche Betreuung unter Einschluss psychischer, sozialer und spiritueller Aspekte gehören zu den erklärten Zielen einer palliative care. Care ist dabei auch immer mehr als nur "Pflege", vielmehr auch "Sorge, Versorgung, Aufmerksamkeit", umfassende Fürsorge bei Schwerkranken und Sterbenden (cf. Heller 2000:12).  

      Palliative Betreuung im "Hospiz-Geist" (und genauso im "Vihâra-Geist") adressiert also den ganzen Menschen, sie ist eine holistische Pflege. Organisatorisch wird deshalb in der Regel, wie Dr. Kashiwagi konzis darstellt, ein Pflegeteam gebildet, in dem verschiedene Spezialisten zusammen arbeiten: Arzt bzw. Ärztin, KrankenpflegerIn, Priester (verschiedener Konfession) oder spirituelle(r) BetreuerIn, SozialarbeiterIn, PsychotherapeutIn, Beschäftigungs- oder MusiktherapeutIn, PharmazeutIn, ErnährungswissenschaftlerIn, ehrenamtliche HelferInnen etc. . Hospizpflege ist Teampflege. Darüberhinaus wird die Familie eingebunden und betreut: z. B. Hilfe bei der Trauerarbeit bereitgestellt. Die drei Hauptpunkte der Hospizpflege bestehen in:

1.) Symptomkontrolle (vor allem Schmerzlinderung)

2.) Kommunikation (offen und umfassend unter allen Beteiligten)

3.) Betreuung der und durch die Familie (Kashiwagi 2000:95ff.)

      Die Arbeit im Team, in das der/die PatientIn und die Angehörigen einbezogen werden, ist für palliative Pflege nicht nur charakteristisch, sondern geradezu konstitutiv (vgl. im Detail z. B. Cummings 1999). Palliative Pflege rückt dann in den Vordergrund, wenn kurative Eingriffe und Maßnahmen nicht mehr greifen, d. h. die Krankheit in die terminale Phase eingetreten ist. In Japan werden im Regelfall nur Krebskranke im Endstadium (in geringer Zahl auch AIDS-Patienten) für die letzten Lebenswochen in ein Hospiz aufgenommen.

      Medizinisch steht eine umfassende Schmerztherapie und Symptomkontrolle im Mittelpunkt, auf lebensverlängernde Maßnahmen wird verzichtet. Der Patient erlebt in diesem Stadium, was Cicely Saunders "totalen Schmerz" nennt: physischer Schmerz kann heutzutage gut unter Kontrolle gebracht werden, zuzüglich plagen aber den vom Schatten des Todes gezeichneten Kranken soziale, mentale, existentielle und/oder religïose/spirituelle "Schmerzen" (vgl. Saunders, Baines and Dunlop 1995:45-58). Der Sterbende ist mit multiplen Verlusterfahrungen und entsprechender Trauer und Trennungsschmerz konfrontiert: sozial (Beruf, Familie, Angehörige, Freunde und Freundinnen...), mental/ psychisch (Verlust jeglicher Zukunft, Angst, Einsamkeit, Isolation, Depressionen ...) und religiös/ spirituell/ existentiell (Lebensbilanzierung und -sinn, Unerledigtes, Fragen nach Transzendenz und Sein oder Nichtsein nach dem Tode, Schuld und Versöhnung, Hoffnung ...).

     

3. Institutioneller Rahmen und Entwicklung in Japan

 

      Ein Pfeiler der Hospizidee war von Anfang an, die Tabuisierung des Todes in der modernen Industriegesellschaft aufzuheben und Öffentlichkeitsarbeit galt dabei als wesentliches (Re)Medium. In dieser Richtung hat in Japan Alfons Deeken dekadelange Pionierarbeit geleistet. Für ihn war "Hospiz" von jeher ein Thema, das die ganze Gesellschaft und Kultur angeht: ob ein Patient bis zuletzt mit menschlicher Wärme und Respekt behandelt wird, auf welche Weise der einzelne sein Leben in höchstmöglicher Qualität zu Ende führen kann und die Frage, wie eine Gesellschaft mit dem Tod als solchem umgeht. Aufklärungsarbeit in bezug auf "Hospiz" und Enttabuisierung des Todes sah er als wichtige Aufgaben, die auch von "gewöhnlichen" BürgerInnen geleistet werden können (Deeken 1999:65). Deeken hat dazu ein Forum geschaffen: Als Jesuitenpater und Professor für Philosophie an der Sophia-Universität hielt er seit 1982 Vorlesungen und Seminare zur Philosophie des Todes. 1983 erfolgte seine Gründung der "Sei to shi o kangaeru kai" (Society for death education and grief counseling/ Gesellschaft für Sterbeerziehung und Trauerberatung[1]). Ihr sind heute 47 Zweigstellen mit rund 5.000 Mitgliedern im ganzen Lande angeschlossen. Zielsetzungen sind:

1.) Vorbereitende Erziehung in bezug auf Sterben und Tod,

2.) Ausweitung der Hospizbewegung und dadurch Verbesserung und ausreichende Verbreitung (palliativ)medizinischer Pflege von Kranken im Endstadium,

3.) Schaffung eines Ortes der Begegnung für Personen, die den Verlust von Nahestehenden erlebt haben und Hilfe für jene bei der Verarbeitung dieser Erfahrung (Deeken 1999:56).

      Der seit 2003 emeritierte Prof. Deeken hat in Dutzenden Buchpublikationen und Fernsehauftritten immer wieder auf die Tabuisierung des Todes hingewiesen (z. B. Deeken 2001:4; 1996:31). Mit seiner unermüdlichen Öffentlichkeitsarbeit hat er viel dazu beigetragen, ein Klima zu schaffen, in dem offener über das Sterben mit Würde, das Sterben als Thema in der Schulerziehung, über Hospizeinweisung, Patientenrechte, klare Diagnosemitteilung, Trauer etc. gesprochen werden kann.

      Das erste "Hospiz" im weiteren Sinne wurde in Japan 1973 ins Leben gerufen. Dr. Kashiwagi gründet nach seinen zwei Jahren Auslandsstudium als gastforschender Arzt an der Psychiatrischen Abteilung der Universität Washington ein interdisziplinäres Team im Christlichen Yodogawa-Spital in Osaka, in dem er unterdessen angestellt war. Dem OCDP (Organized Care of Dying Patient) genannten Team gehörten ein Arzt, Krankenschwestern, Sozialarbeiter und ein Geistlicher an. Sie versammelten sich wöchentlich, um über die Betreuung terminaler Patienten zu beraten. Damit hatte die Hospizidee in Japan konkrete Gestalt angenommen - ohne dass der Pionier Kashiwagi Tetsuo das Wort "Hospiz" gekannt hatte, wie er in einer Dreier-Gesprächsrunde bemerkt (Hinohara, Kashiwagi und Okuma 2002:56). Mittlerweilen wurde "On Death and Dying" (1969; dt. "Interviews mit Sterbenden") von Elisabeth Kübler-Ross ins Japanische übersetzt. Das Interesse an der Begleitung Sterbender stieg. 1977 war für die japanische Hospizbewegung dann ein mehrfach neuralgisches Jahr:

      Zum einen wurde in diesem Jahr die "(Japanische) Gesellschaft zur klinischen Erforschung des Todes" (z. Z. der Gründung: Shi no rinshô kenkyûkai; später: Nihon shi no rinshô kenkyûkai, engl. Japanese Association for Clinical Research on Death and Dying) ins Leben gerufen, die im Dezember d. J. ihre erste Tagung abhielt. Zum anderen wurde zum ersten Mal die Hospizidee einem breiten Publikum vorgestellt. Japanische Ärzte, die das St. Christopher Hospiz[2] in London besucht hatten, berichteten darüber in der Zeitung Asahi. Im weiteren überstieg in diesem Jahr zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg die Zahl der in einem Spital Sterbenden (50,6 %) die der zu Hause Verscheidenden (49,4 %).

      In der Folge "pilgerten" weitere Ärzte und Krankenschwestern nach England, um sich vor Ort mit der Hospizbewegung vertraut zu machen. Der Wunsch auch in Japan ein Hospiz zu eröffnen, konkretisierte sich dann im Jahre 1981. Da wurde das "Seirei-Hospiz" als erstes (stationäres) in Japan in Hamamatsu/ Präfektur Shizuoka gegründet. Es hatte die Gestalt einer unabhängigen Abteilung innerhalb eines bestehenden Spitals. 1984 folgte die Gründung der Hospizabteilung im Christlichen Yodogawa-Spital in Osaka. Beide waren stark von Spenden abhängig. Die von der Hospizidee infizierten Ärzte und Pfleger begannen im Gesundheitsministerium nach öffentlicher Unterstützung anzusuchen (Kashiwagi 2001:3-6, einen englischen Überblick bietet Kashiwagi 1991). Als Meilenstein darf sodann die ministerielle Publikation einer Forschungsbestandsaufnahme und von palliativen Pflegerichtlinien im Jahre 1989 gelten (cf. KSS/NIK 1989).

      Im August 1990 hatte Japan vier staatlich anerkannte Hospize, etliche nicht-zertifizierte sowie einige Symptom-Kontrollteams und ambulante Betreuungsdienste. Seit April 1990 erhalten von der Regierung anerkannte Hospize einen Tagessatz von 25.000 \ pro Patient (ab 2000 wurde der Satz auf 38.000 \ erhöht). Nach der Einführung dieses Tagessatzes begann ein beispielloser "Hospiz-Boom", der bis in die Gegenwart (und nahe Zukunft wohl auch) anhält. 1991 wurde folgerichtig die "Japanische Vereinigung der Hospiz- und Palliativstationen" gegründet (jap. Zenkoku Hosupisu-Kanwa Kea Byôtô Renraku Kyôgikai, engl. The Japanese Association of Hospice and Palliative Care Units). Ihre Ziele waren unter anderem die Propagierung der Hospizidee und die qualitative Verbesserung bestehender Hospize bzw. deren weiterer Ausbau und Verbreitung. Mit August 2000 gab es schon 81 staatlich anerkannte Hospize oder Palliativstationen. Die meisten wurde in der zweiten Hälfte der 90er Jahre gegründet, im Jahre 1998 waren es allein 16 und 1999 weitere 15 Stationen, die vom Gesundheitsministerium approbiert worden waren (Kashiwagi 2001: 26-30: mit landesweiter Liste der Hospize, Bettenzahl und dem Jahr ihrer staatlichen Anerkennung).

      Des weiteren wurde 1992 die Nihon Hosupisu-Zaitaku Kea Kenkyûkai (The Japanese Society for Hospice and Home Care) gegründet, die als breites Forum für Spezialisten, Betroffene und Bürger antrat, jährlich ein landesweites Symposium organisiert, ein Fachmagazin ediert und u. a. für eine verstärkte ambulante Hauspflege eintritt. Seit 1990 existiert ferner die Fachzeitschrift Tâminaru kea (Terminal care), die medizinische, pflegerische, rechtliche, finanzielle und nicht zuletzt spirituelle Fragen der Palliativpflege aufgreift. Organisatorisch und (fach)disziplinär ist somit der Boden für einen weiteren Ausbau der Betreuung unheilbar Erkrankter im Sinne der Hospiz-Idee reichlich bereitet. Im Frühjahr 2003 existierten dann schon 113 offiziell anerkannte Hospizeinrichtungen. Allerdings erhalten von den jährlich rund 300.000 Personen, die an Krebs sterben nur etwa 3 % eine palliative Pflege (Nakamura 2003).

      Was die Organisationsform von Palliativmedizin betrifft, so ergeben sich in Abhängigkeit von der Struktur des Gesundheitswesens beträchtliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. Allgemein lassen sich folgende Formen unterscheiden: ambulante Hospizdienste: Hausbetreuung; Tageshospize; stationäre Einrichtungen: selbstständige Hospize; Palliativstationen, die in ein Krankenhaus integriert oder diesem angeschlossen sind und palliativmedizinische Konsiliarteams, die ihre Dienste den Allgemeinstationen in Krankenhäusern anbieten (ausführlich Klaschik 2000:17-26):

      In Japan werden fünf Einrichtungen unterschieden:

1.) Innai dokuritsugata: Palliativstation innerhalb eines Krankenhauses mit einem extrastehenden, eigenen Gebäude.

2.) Innai byôtôgata: Palliativstation integriert in ein Krankenhaus: häufig wird der oberste Stock für Hospizbetten reserviert.

3.) Innai bunsangata: ein Hospizteam gibt Palliativpflege innerhalb eines Krankenhauses (ohne dafür spezifizierte Gebäude oder Räumlichkeiten)

4.) Zaitaku keagata: Ambulante Hausbetreuungsdienste

5.) Kanzen dokuritsugata: Unäbhängig von einem Krankenhaus, gebäudlich eigenständige Institution für Hospizpflege (in Japan selten, in England der Normalfall: IKKK 2000:52). In Japan sind integrierte Palliativstationen (Typ 2) die häufigste Form der heute über 130 ministeriell approbierten “Hospize”, ambulante Hausbetreuungsdienste werden kaum in Anspruch genommen, obwohl 1994 dafür eigens eine finanzielle Unterstützung seitens der Gesundheitsversicherung eingeführt worden ist (IKKK 2000:54 u. 63).

 

4. (Ausgewählte) buddhistische Initiativen

 

      In der Literatur wird wiederholt darauf verwiesen, dass der Buddhismus und die Heilkunde von jeher (beginnend mit Shakyamuni selbst: Nagura 1995:29, Ôshita und Oyamada 1999:235, Ôshita 2005:78ff.) miteinander verknüpft waren. Ein bekannter Buddhismuskundler erinnert auch daran, dass Shakyamuni, die ihm nachfolgenden Mönche eigens und direkt dazu aufgefordert hat, sich der Pflege von Kranken zu widmen (nach Nakamura 1994:6 in: Vinaya, Mahâvagga VIII, 26, 3. vol.1, 302).

Buddhistische Mönche fungierten in Japan seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. auch als Überbringer einer Fusion von ayurvedischem und chinesischem medizinischem Wissen, das sie auch als eines ihrer fünf Studienfächer (gomyô) pflegten (Shinmura 1996:192-3), Klöster engagierten sich "in pragmatischer Ausrichtung" seit dem 8. Jahrhundert in der Kranken- und Altenpflege (Pörtner und Heise 1995:172). Leiden, Krankheit und Tod gehören für den Buddhismus zur conditio humana (Fujihara 2002:42), mit letzterem habe er sich seit altersher befasst, wenngleich sich das heute leider in Begräbnis- und Totengedenkriten erschöpfe (Tamiya 1993:216).

      Es klingt hier immer wieder durch, dass Krankheit und Tod quasi angestammte Domänen des Buddhismus seien, der daher auch dazu aufgerufen ist, hier das Mitleidsideal in die Praxis umzusetzen. Die Pioniere der Hospizbewegung waren (auch in Japan) Christen (cf. Kiba 1992:69). Obschon für die terminale Pflege oder Aufnahme in ein Hospiz die Konfessionszugehörigkeit keine Rolle spielt, so wurden doch diesbezügliche Ideale und Praktiken aus dem Westen eingeführt, "unter Absehung der lokalen Geschichte der Krankenpflege", wie Tamiya moniert, der auch von "Import per Transplantation" spricht (Tamiya 1993:214). Der Aufruf des Chefarztes und Kaplans des christlichen Seirei Mikatahara-Spitals, des ersten japanischen Hospizes, der angab, bald zwei Drittel seiner Patienten seien Buddhisten, um die sich der buddhistische Klerus kümmern möge (Tamiya 1993:235), hatte eine Art Wachrütteleffekt, wie Ôshita Daien mir gegenüber erwähnte. Mitte der 1980er Jahre kam es daher zu einer Art "buddhistischen Reaktion". Es wurden etliche Initiativen gestartet, von denen ich hier nur einige wenige anführen kann[3].

      Mit der Gründung der Kyôto bukkyô seinenkai ("Buddhistischer Jugendverein Kyôto") im Jahre 1984 erstanden runde 60 Organisationen, die bukkyô to iryô ("Buddhismus und medizinische Betreuung") in ihrem Titel führten. Fujiwara schätzt allerdings, dass die im Jahre 2000 noch wirklich aktiven an zehn Fingern abzählbar seien (Fujiwara 2000b:23).

      1987 wurde eine "Forschungsgesellschaft für praktische Aktivitäten (im Geiste) des Vihâra" (Bihâra no jissen katsudô kenkyûkai) gegründet.[4] Bis 1997 haben 649 Personen (Mönche wie Laien) ein von der Jôdôshin-Schule angebotenes Schulungsprogramm für seelische Betreuung von Schwerkranken absolviert. 1987 wurden in Fukui und in Osaka ein Vihâra gegründet, seit dann haben in allen Landesgemeinden Vihâra-Aktivitäten Wurzel gefasst. Mehr als 3000 Gemeindemitglieder sind permanent im Sinne des Vihâra aktiv.

      In der Präfektur Niigata wurde in der Stadt Nagaoka 1992 eine Vihâra-Palliativstation eröffnet, die im April 1993 offiziell vom Gesundheitsministerium als Palliativstation Nr. 9 anerkannt wurde. Sie hat 22 Betten und in ihr steht eine Buddhastatue aus Birma aus dem 17. Jahrhundert (Tamiya 1993:228). 2001 wurden fünf weitere Betten hinzugefügt. Das Vihâra hat einen hauptberuflichen Vihâra-Mönch und rund 15 ehrenamtlich visitierende Vihâra-Mönche angestellt (Taniyama 2004:44). Es geht auf die Intiative der Gebrüder Tamiya zurück. Tamiya Shûei, Priester am Jôganji (Jôdô-shin-shû, Higashi/Ôtani-ha), Prof. Tamiya Masashi und Dr. Tamiya Takashi (Nervenheilkundler). Sie hatten 1988 in Nagaoka/ Niigata einen Ausschuss mit dem Ziel, ein Vihâra zu errichten, gegründet. Die meisten erfolggekrönten Vihâra-Aktionen verdanken sich der Initiative und dem beherzten Einsatz von Einzelpersonen oder Graswurzelgruppen, weniger der Trägerschaft oder Organisation durch eine buddhistische Denomination (persönliche Mitteilung von Taniyama Yôzô, 8. März 2005; er spricht den einzelnen buddhistischen Schulen sogar den Willen zu großangelegten Vihâra-Einsätzen ab: Taniyama 2004: 35).

      1987 wurde die "Kyôto Bihâra no kai" gegründet. Vihâra versteht sich für sie auch als Sozialaktion, um den eigentlichen Auftrag des Buddhismus zu erfüllen. Eines ihrer Ziele ist, eine "buddhistische Pflege" zu entwickeln. Seit 1994 gibt es an der Bukkyô-Universität eigene Kurse zu buddhistischer Krankenpflege (Tamiya 1993:230 u. 240). Fujihara Akiko hält gleichfalls an der Frauenkurzuniversität Iida Vorlesungen über buddhistische Krankenpflege und Theorie der Vihâra-Care. Die Heranbildung von geeignetem Personal wird als wichtige Aufgabe gesehen: in alten Zeiten gab es Arztmönche (isô) und Krankenpflege-Mönche und -Nonnen (kanbyô biku bzw. bikuni). Analog zu den christlichen Geistlichen brauche es als moderne Variante Vihâra-Mönche, die Krankenpflege und spirituelle Betreuung anbieten (Tamiya 1993:234 u. 237). Im Jahre 2004 gründeten Tamiya Masashi und Fujihara Akiko die Forschungsgruppe Bukkyô kango - Bihâra gakkai (Japan Association for Buddhist Nursing and Vihâra Studies, siehe: http://jabnvs.gr.jp/).

      Eine weitere in der Lehre einflussreiche Persönlichkeit ist Nabeshima Naoki, der an der Ryûkoku-Universität über "Buddhismus und Bioethik" liest und eine dazugehörige Forschungsgruppe zu Vihâra und spiritueller Betreuung Moribunder leitet (http://buddhism-orc.ryukoku.ac.jp/japanese/unit2.html).

      1990 konstituierte sich eine Forschungsgesellschaft zu medizinischen Fragen innerhalb der Nichiren-Sekte, deren erste interne Umfragen ein hohes Interesse am Thema Vihâra belegten. Fast zwei Dritteln war die Vihâra-Bewegung bekannt und hundertprozentige positive Unterstützung erhielt die Frage hinsichtlich der Notwendigkeit eines diesbezüglichen Engagements. Auch waren fast alle Befragten persönlich bereit, an Vihâra-Aktivitäten und Schulungen teilzunehmen (NIMK 1997:15). 

      Seit dem Jahre 2002 bietet die Kôyasan Universität (Shingon-Schule) ein Curriculum zur Ausbildung von Personal für spirituelle Pflege und Begleitung an (Ôshita 2003a und 2006, dessen langjähriger Vor- und Zuarbeit dies zu verdanken ist: über ihn berichte ich am Ende des Artikels ausführlich). Jährlich inskribieren um die zwanzig Studenten und Studentinnen im Hauptfach den Studiengang zur Ausbildung zum “spiritual care worker”, wie mir Reverend Ôshita am 25. Juni 2006 auf einem Symposium persönlich mitteilte (Details siehe: http://www.koyasan-u.ac.jp/index.html).

Seit kurzem gibt es auch Kurse für die Heranbildung und Schulung von Vihâra-Mönchen, die von der hauptsächlich von (Jôdô-)Shin-Buddhisten getragenen Forschungsgesellschaft "Vihara 21" angeboten werden (http://www.oct.zaq.ne.jp/vows/bihara/index.html). So weit zu den wichtigsten mir bekannten Vihâra-Initiativen.

     

5. Spiritueller Schmerz und spiritueller Beistand bei Sterbenden

 

      Für eine menschlich-ganzheitliche Betreuung unheilbar Erkrankter war neben den medizinischen, pflegerischen, sozialen und familialen Aspekten die spirituelle Komponente seit Beginn der modernen Hospiz-Bewegung ein wesentliches, ja unverzichtbares Element. Mit der Gründung der ersten Hospize in Japan und dem Einsatz multidisziplinärer Pflegeteams wurde auch die spirituelle Betreuung terminal Kranker Thema der praktischen Arbeit sowie der theoretischen Reflexion. Kamiya Ayako (2000) ging den Entwicklungen nach, die die Konzepte "spiritueller Schmerz" und "spirituelle Betreuung" über die Jahre durchmachten. Dazu sichtete sie im wesentlichen die Publikationen der Japanischen Gesellschaft zur klinischen Erforschung des Todes (Nihon shi no rinshô kenkyûkai).

      Sie unterscheidet drei Phasen (Bezeichnungen von W. H.):

1.) Importphase (Mitte 70er bis Mitte 80er Jahre): "spirituell" wurde vorherrschend (dabei dem Hospiz-Pionier und Christen Kashiwagi folgend) mit "religiös" (spirituelle Nöte = shûkyôteki na itami) übersetzt; christliche Geistliche waren die Ideenträger und Seelsorger in der Praxis.

2.) Indigenisierung (ab Mitte 80er bis in die erste Hälfte der 90er Jahre): was zeichnet den spirituellen Schmerz von Japanern aus? Buddhisten erheben ihre Stimme: Spirituelle Betreuung in Japan müsse mit den dort herrschenden krypto-religiösen Gefühlen und Stimmungen ("ewiger Wandel, Vergänglichkeit" etc.) konvergieren, nicht von christlichen Vorstellungen her bestimmt werden. Als neue Übersetzung für seelische oder spirituelle Schmerzen setzte sich reiteki itami oder reiteki kutsû durch.

3.) Generalisierung (seit Mitte der 90er Jahre): Spirituellen Beistand kann/soll jede(r) in der Pflege terminaler Patienten Involvierte leisten. Das entspricht internationalen Trends: in den USA wurde bemerkt, dass spirituelle Betreuung zu ausschlaggebend sei, um sie dem Klerus zu überlassen, alle HospizarbeiterInnen mögen ihre Spiritualität voll einbringen (Millison u. Dudley 1990:76-7 u. 1992:64). Der Kranke bestimme letztlich, mit wem er offen über seine spirituellen Fragen sprechen möchte, das kann ein Priester, aber auch ein Mitglied des Palliativteams, Verwandte(r), Freund, Mitpatient, Besucher etc. sein (Speck 1999:805).

      In Japan wurde Ende der 90er Jahre durch eine Änderung der Terminologie wieder symbolisch neues Terrain bereitet: als Terminus wurden die englischen Ausdrücke "spiritual pain/care" geläufig bzw. deren Äquivalent in der für Fremdwörter vorgesehenen Katakana-Umschreibung: supirichuaru pein/ kea. Es stieg das Bewußtsein, dass spirituellen Beistand nicht nur Seelsorger, sondern auch Ärzte, Sozialarbeiter, Krankenpersonal, Familienangehörige oder Ehrenamtliche leisten können. Diese Entwicklung korreliert auch mit einer signifikanten Zunahme der Gründung von Hospizen ohne spezifischer religiöser Ausrichtung. Als ein Charakteristikum der jüngsten Periode kann zudem gelten, dass Versuche gestartet wurden, das Ausmaß und die Substanz spiritueller Schmerzen zu erfassen und per Skalierung zu "messen".

      Die meisten Patienten erleben spirituellen Schmerz in Form von Angst, Beängstigung, Zorn, Isoliertheit, Einsamkeit oder Verzweiflung in verschiedenen Intensitäten. Qualvolle Erinnerungen oder Schuldgefühle können spirituellen Schmerz, der die Vergangenheit betrifft, hervorrufen. In der Gegenwart wird häufig Isoliertheit und Verlust der Identität als peinigend erlebt. Suche nach einem Sinn des Lebens und Leidens, Lieben und Geliebt- bzw. Akzeptiertwerden, Möglichkeit zum Wachstum und Antreten der letzten Reise in Hoffnung zählen zu den grundlegenden spirituellen Bedürfnissen. Familienbeziehungen, denen in Japan eine hohe Wichtigkeit zukommt, sollten sie gespannt sein, sind häufig Ursache von spirituellen (eig. besser: "sozialen", W. H.) Schmerzen. Die Zukunft betreffend sind Sorge um die Angehörigen, aber auch Angst vor dem Tod per se die häufigsten Formen seelischen Schmerzes[5]. Das Allerwichtigste ist, dass dem Sterbenden aktiv und mit Respekt zugehört wird (Kashiwagi 1995:S125-6). Das gelte auch bei einem "buddhistischen Counseling" als die wesentliche Hilfeleistung: ein in Zuwendung offenes Ohr (Becker 1995:67). Über die Art des Zuhörens bei Sterbenden zitiert Cicely Saunders gern eine chassidisches Frage-Antwort-Spiel: "Warum, sagst du, mußt du jemandem zuhören, als ob du ins Wasser blicktest und nicht in einen Spiegel? Weil du sehr, sehr still bleiben mußt, wenn du ins Wasser blickst, damit es sich nicht bewegt." (Du Boulay 1987:131).

      Neben Empathie, emotionaler Wärme und dem Vermitteln von Angenommensein, gelten die Deute-Dimension (= oft über symbolische Kommunikation das Sterben in einen größeren Sinnzusammenhang einordnen) und Rituale als anthropologisch angelegte Stützfunktion bei Lebensschwellen als Pfeiler beim Sterbebeistand (Weiher 2002:145f.). Letztere sollen unter Rücksichtnahme auf die Wünsche des Patienten und seiner Familie eingesetzt werden, können aber gerade in der Sterbestunde bedeutsam sein, wie der buddhistische Priester Ôshita vermerkt. Auf Vertrauen beruhende offene Kommunikation, Sympathie und Verständnis für die Weltanschauung und Lebens- und Familiensicht des Patienten, deren Akzeptanz[6] ohne Aufdrängung religiöser Anschauungen und via dieser Annahme die gemeinsame Suche nach einer Linderung der seelischen Schmerzen, nennt er zudem als die Grundlagen einer gelungenen spirituellen Betreuung (Ôshita 2001:192). Seine Arbeit mit Moribunden werde ich abschließend exemplarisch vorstellen.

      Die terminologische Diskussion wird im übrigen in Japan sehr intensiv geführt. Es geht vornehmlich um die Übersetzung des Begriffes "spirituell" (z.B. Tsuda 2000 und Inaba 2000: entgegen seinem Vorschlag reiteki scheint sich supirichuaru durchzusetzen). Spiritualität und Religion werden in der Literatur oft verbunden und vermischt (are ... co-mingled; Millison 1995). Erst jüngst wird hier klar getrennt und unter Spiritualität die Suche nach einem existentiellen Sinn in jeder Lebenssituation verstanden (Speck 1999:805), Spiritualität wird als Potential gesehen, um in Krisensituationen und bei emotionalem Stress (z.B. angesichts des Todes), dem Dasein Sinn zu verleihen - über die Mobilisierung von Gefühlen wie Liebe, Hoffnung, Glaube, Vertrauen, Ehrfurcht oder Inspiriertsein (Narayanasamy 1999:124, analog Kubotera 2000:13).

      In der Literatur wird Religion und Spiritualität sehr divers kodiert und es gibt ein Spektrum, das von Gleichsetzung der Begriffe bis zu strikter Trennung und entsprechenden Übergängen reicht (z. B. die Synopse in Kubotera 2004:30). Kubotera, einer der führenden Forscher und Praktiker auf dem Gebiet "spiritueller Begleitung" (nach dem Englischen: supirichuaru kea) in Japan, tritt für eine definitorische Trennung von religiösem Beistand und spirituellem Beistand ein, wobei sich die beiden Gebiete allerdings partiell überlappen (Kubotera 2004:46-7). Ganz ähnlich wird unterschieden zwischem pastoralem Beistand durch einen "Spezialisten" (Geistlichen, Priester, Mönch ...), religiöser Betreuung (konfessionell gebunden) und spiritueller Betreuung, wobei letztere Hilfe leisten soll in der Suche nach dem Sinn des Lebens und Sterbens und deren positiven Annahme. In der Praxis vermischten sich diese Formen von seelischem Beistand jedoch oft (Ôshita und Oyamada 1999:327).

  Das hat Konsequenzen für die Definition von religiösen bzw. spirituellen Schmerzen und für die Frage, wer entsprechenden Beistand leisten könne. Die Tendenz geht dahin, religiöse (auch: pastorale) Begleitung dem religiösen Spezialisten (also Priester, Mönch, geweihtem Klerus ...) zu überlassen. Sie ist an eine bestimmte Konfession gebunden und wird auf Wunsch des Patienten geleistet. Jeder Glaubensform stehen ein Set an Riten und Ritualen für seelsorgerischen Beistand zur Verfügung: Lesung von Schriften, Sakralmusik, Gebet, geistliche Gespräche, Meditation, Sterbesakramente und -zeremonien etc. . Deren Einsatz wird dann als religiöses bzw. pastorales Sterbegeleit angesehen.

Wenn ein Geistlicher im Hospiz- bzw. Vihâra-Team eingegliedert ist, dann wird ihm meist sowohl die religiöse als auch die spirituelle Betreuung (etwa im Falle von erklärten Atheisten oder Agnostikern oder A[nti]religiösen) übertragen. In der Praxis ergibt sich oft ein weites Übergangsfeld von der religiösen zur spirituellen Betreuung ohne scharfe Trennung und unter individuell zugeschnittener Mischung beider Praktiken. Auch kann sich herausstellen, dass ein zunächst konfessionelle Elemente ablehnender Patient im Laufe der Gespräche klare religiöse Bedürfnisse zeigt und sich auf eine religiöse Praxis (hier: Sutrenrezitation) einläßt. Dabei gilt aber als oberstes Prinzip, dass der Begleiter in keiner Weise "missionarisch" oder sonst "aufdrängerisch" unterwegs ist (Fallbeispiel in: Taniyama 2004:22-6 u. 40). 

      Zu Spiritualität werden auch individuelle Lebensprinzipien und die Bezüglichkeit der Person zum Kosmos sowie die Erfahrung von Transzendenz gezählt. Religion meine konfessionellen Glauben und Andachtsformen, habe deshalb eine engere Bedeutung. In Japan stelle sich wegen einer virulenten A-Religiosität das Problem, dass spirituelle Nöte als solche nicht wahrgenommen werden: und zwar vom medizinischen Personal gleich wenig wie vom Patienten selbst (Murata 2002:325-6).     

6. Geschichte der (buddhistischen) ars moriendi

 

      In diversen buddhistischen Schriften werden Anleitungen zur Krankenpflege und zum rechten Verhalten in den letzten Stunden (rinjû gyôgi) gegeben. Andere Bezeichnungen für buddhistischen Sterbebeistand und die rechte Geisteshaltung zur und in der Todesstunde sind rinjû yôjin, rinjû shinan oder rinjû nensô. Letztlich bedeuteten diese Begriffe "japanische" Krankenpflege im weitesten Sinne (Kamii 1993: 42). Tamiya meint, dass in dieser Tradition der Ursprung und die grundlegende Art und Weise einer "japanischen" Form der terminalen Pflege zu finden sei, weshalb eine Re-Evaluierung der rinjû gyôgi wünschenswert erscheine (Tamiya 1993: 38). Entsprechende Schriften stammen vornehmlich aus den vier Schulen: Shingon, Jôdô, Nichiren und Zen (dort auf Krankenpflegeratgeber beschränkt). Ich möchte die in Japan relevanten Texte und deren Autoren, auf die in der Literatur immer wieder verwiesen werden, kurz nennen[7]:

 

.) Zendô (Shan-tao; 613-681). Seine "Kannen hômon" [Gesetzestor zur Meditation], "Ôjô raisan" und "Rinjû shônenketsu" [Mysterium der richtigen Geisteshaltung in der Sterbestunde] gelten als die Ausgangsquellen und Prägemuster für analoge rinjû gyôgi-Texte in Japan (Fujiwara 2003:131). Auch Genshin hat stark auf Zendô zurückgegriffen (Shinmura 1989:235). Andere Tang-zeitliche chinesische Quellen, die zuweilen herangezogen werden, gehen auf Texte von Dôsen (596-667) und Gijô (635-713) zurück (Kamii 1993:44).

 

.) [Eshin Sôzû] Genshin (942-1017). Sein "Ôjô yôshû" [Kompendium zur Wiedergeburt im Reinen Land] setzte den Standard als Manual zur Betreuung Kranker im terminalen Stadium für viele Nachfolgeschriften (Shinmura 1996:197, Kamii 1993:45). Er hatte eine nembutsu [8]-Gesellschaft gegründet und für deren Mitglieder für den Ernstfall die sterbebegleitenden Riten kodifiziert, die sie sicher ins "Reine Land" geleiten sollen (Nakamura 2000:250).

 

.) Jippan (?-1144)  schreibt mit dem "Byôchû shugyôki" den ersten Text für das Sterbebett der Shingon-Sekte (Kamii 1993:53). Kakuban (1095-1143) erstellte nach ihm das "Ikki daiyô himitsushû" [Sammlung der Mysterien betreffend die Notwendigkeiten in der Todesstunde], das gerne als Sterbebegleitfaden herangezogen wird - besonders in der Shingon-Schule, als deren Reformer er gilt (Satô 2002: 101-2, Fujiwara 1999 und Fujiwara 2003:131-6).

 

.) Jôkei, auch Jôkyô (1155-1213): Er gehörte der Hossô-Schule an und sein "Rinjû yôiji" gilt als ein Quellentext der Zeit des Kamakura-Buddhismus (Shinmura 1995:12; konzis referiert in Shinmura 1989:234, ausführlich in Tanaka 1982:117-121).

 

.) Ryôchû (1199-1287): er ist nach Genshin mit seiner Schrift "Kanbyô yôjinshô" [Leitfaden des bei der Krankenpflege zu Beherzigenden] repräsentativ für die Jôdô-Schule (Shinmura 1989:236-240). Sie wird als praktischer Leitfaden hoch geschätzt und ist nahezu ident mit einem zweiten Vademekum aus seinem Pinsel, dem "Kanbyô goyôjin". Er verfasste daneben unter Betonung der Wichtigkeit des nembutsu  detaillierte Kommentare zu den rinjû gyôgi in allen Phasen von der Krankheit über die Agonie bis zum Tod und der Zeitspanne danach (Kamii 1993:61-2). Die in der Alten- und Krankenpflege aktiven Mönche der "Tera no demae no kai" [Verein für ambulanten Tempeldienst] edierten eine geradezu lustig bebilderte Übersetzung des Originaltextes ins Modern-Japanische (Ryôchû 2001).

 

.) Nichiren (1222-1282) betonte die Bedeutung der Sterbestunde und empfahl in ihr die für seine Lehre zentrale Praxis der Rezitation des Titels (daimoku) des von ihm als wesentlich angesehenen Lotussutra. Nikkô (1246-1333) kodifizierte im "Indô hiketsu" die Art des Sterbegeleits und die Begräbnisbräuche für die Nichiren-Sekte (Kamii 1993:62-3). Nichion (1572-1642) legte in der Faszikel "Chiyomigusa" die Sterbebegleittradition der Nichiren-Sekte in detailreicher Form nieder und trat nachhaltig für ihre Ausbreitung in der angebrochenen "Moderne" ein (Kamii 1993:64).

 

.) Hôjû (1765-1839): für die Neuzeit sind seine Texte "Rinjû yôjin kôsetsu" [Erläuterungen zu den Erfordernissen in der Sterbestunde] und "Rinjû yôjin tsuika kôsetsu" [Ergänzende Erläuterungen zu den Erfordernissen in der Sterbestunde] maßgeblich. Sie sind inhaltlich allerdings den Kamakura-Texten bis in kleine Details verblüffend ähnlich (Shinmura 1996:12-18). Seine Rezeption zeigt, dass die von altersher gepflegten Anleitungen zur rechten Geisteshaltung in der Sterbestunde (rinjû shônen) als buddhistische ars moriendi bis in moderne Zeiten weit verbreitet waren (Shinmura 1996:19). Auch das "Kanbyô yôjinshô" soll bis in populäre Lebenshilfebücher der späten Edo-Zeit Spuren hinterlassen haben (Shinmura 1989:241-2).

      Die Fülle an Anweisungen und Schriften in Bezug auf die Sterbestunde illustriert auch, welche große Bedeutung ihr im Buddhismus beigemessen wird - als Chance zu spiritueller Reifung, zur Erlangung einer besseren Wiedergeburt oder zur endgültigen Befreiung. Die letzten Gedanken sind daher entscheidend, weshalb eine gute Atmosphäre geschaffen werden soll, in der der Sterbende seinen Geist auf die Transzendenz (Buddha, Paradies etc.) richten kann (entsprechende Aussagen finden sich allerorten z. B. Stone 1999:212, Silva 1994:21f., Sogyal 2002:268, Fujiwara 1999:34 unter Verweis auf Kakuban). Shinmura gibt den wichtigen Hinweis, dass obig aufgelistete Texte gleichzeitig eine ars vivendi darstellen, obschon ein Einüben in das Sterben, so sind sie zugleich auch Anleitung für eine rechte Lebensführung (Shinmura 1989:240). Analog ist das berühmte und fälschlich als "Totenbuch" bezeichnete Werk der Tibeter zu sehen: es ist ein Meditationsleitfaden für geistige Übungen, die zu Lebzeiten praktiziert werden sollen, es ist "ein 'Mysterien'-Buch, das dem Eingeweihten unter dem Bilde des Sterbens das Geheimnis des Lebens öffnet." (Govinda 1975:140).

      Im folgenden möchte ich synoptisch die wichtigsten Punkte der rinjû gyôgi  - solche, die in allen angeführt werden - zusammenstellen. Ich destilliere diese aus den oben angeführten Quellen ohne Einzelverweis. Ungeachtet der Reihenfolge in den Originalen, teile ich sie ein in 1.) krankenpflegerische und 2.) spirituelle Anleitungen (kleine Überschneidungen in Kauf nehmend):

 

1.) Krankenpflegerische Anweisungen:

 

.) Der Kranke möge - wenn möglich - in ein eigenes Zimmer gebracht werden, seine Habe und Dinge, an denen sein Herz hängen mag, sollen auf alle Fälle entfernt werden. Eine ruhige Umgebung zu schaffen, ist wesentlich. Sie ist sauber und rein zu halten.

.) Um nicht zuviel Unruhe zu erzeugen, sollen nur drei bis fünf Personen beim Sterbenden anwesend sein und ihn pflegen. Sie sollen sich abwechseln, den Patienten aber nie allein und aus den Augen lassen. Unter ihnen möge sich mindestens ein Priester befinden. Verwandte sollen in den letzten Stunden eher ferngehalten werden, da sie Anhaftungen und emotionale Aufgewühltheit wecken, aus demselben Grunde mögen keine "weltlichen" Gespräche geführt werden.

.) Personen, die wegen Alkoholkonsum oder Genuss streng riechender Speisen (z.B. Knoblauch, Zwiebeln, Schnittlauch) ein übles Odeur verbreiten, dürfen nicht zum Kranken vorgelassen werden.

.) Da in den letzten Stunden die Kehle häufig austrocknet, ist dem Patienten periodisch der Mund zu befeuchten.

.) Vor und besonders längere Zeit nach dem Ableben ist der Körper des Verscheidenden/ Verschiedenen nicht (grob) zu bewegen.

 

2.) Spirituelle Hilfeleistungen:

 

.) Um eine friedvolle Atmosphäre zu schaffen, möge Räucherwerk abgebrannt werden, auch Klangschalen kann man anstimmen.

.) Eine Buddhastatue oder ein Rollbild mit einer Buddhadarstellung wird ins Gesichtsfeld des Kranken gerückt, dessen Haupt Richtung Norden, Antlitz Richtung Westen gebettet sein soll, so dass er dem Buddha ins Angesicht blicken kann. Bänder in fünf Farben sollen dem Patienten in die Hand gegeben werden. Sie verbinden ihn mit der Buddhafigur und lenken so seine letzten Gedanken auf dessen Entgegenkommen[9]. "Eine Art der Seelsorge, die buddhistische Priester schon in der Heian-Zeit entwickelt haben, bestand in einer leid- und angstlindernden Umkehrung agonaler Delirien: die Phantasien der Sterbenden wurden auf die lichtstrahlende Rettergestalt des Amida-Buddha gelenkt, der gleichsam als Psychopompos an fünf Fäden .... [s. o. W. H.] die Seelen ins westliche Paradies führte." (Pörtner und Heise 1995:199)

.) Das Wichtigste ist das nembutsu: Die Anrufung des Buddha, das Beten von Sutras oder Rezitieren von Mantras oder heiligen Silben (darani) wird in allen Schriften zentral und nachdrücklich anempfohlen. Die Rezitationen mögen von den Pflegenden mit dem Sterbenden gemeinsam ausgeführt werden. Wenn der Patient zu schwach wird, sollen die ihn Umgebenden ihren Atem mit dem seinen synchronisieren und beim jeweiligen Ausatmen den Namen Buddhas (in Silben geteilt) oder eine heilige Silbe sprechen. Nach dem Aushauchen des Lebens soll das nembutsu eine geraume Weile fortgesetzt werden.

 

      Kleinere Unterschiede finden sich in den rinjû gyôgi, was die oben vage gehaltenen Zeitangaben betrifft, vor allem aber bezüglich der Wahl der Buddhadarstellung, der Sutren und der Anrufungsformeln. Das hängt jeweils ab von der Schule und dem Glauben bzw. den Vorlieben, denen der Sterbende anhängt. Fujiwara Kazunori beschreibt eingehend ein jüngst (am 29. Januar 2003) für einen 92-jährigen Patienten strikt nach Kakuban abgehaltenes rinjû gyôgi, bei dem ein Yakushi-nyorai (sanskr. Bhaishajya-guru, vulgo "Medizin-Buddha") als zentrale Buddhafigur diente (Fujiwara 2003). Für Anhänger der Lehre vom Reinen Land (Jôdô) ist meist Amida und dessen Anrufung erste Wahl, für Shingon-Gläubige Dainichi Nyorai (sanskr. Vairocana, vulgo "Sonnenbuddha") oder dessen Manifestation Fudô Myôô (auf Einzelheiten kann ich hier nicht eingehen).

      Einen Hinweis von Shinmura (1996:24-28) aufnehmend, kann ich hier nur andeuten, dass frappante Parallelen zwischen den buddhistischen und christlichen artes moriendi bestehen. Letztere wurden Ende des 16. Jahrhunderts von den Jesuiten nach Japan gebracht. Für den mittelalterlichen bis barockzeitlichen Christen war die Welt "Exil", eine Pilgerschaft, alles der Vergänglichkeit, der "Eitelkeit" (vanitas) anheimgegeben. Huizinga (1975:194) spricht von einem regelrecht "altindischen, namentlich buddhistischen" Lebens(angst)gefühl. Die hora mortis war von entscheidender Bedeutung für das Seelenheil. Mit bemerkenswerten Ähnlichkeiten zu Kübler-Ross, die die Sterbeprozessetappen jedoch psychologisch (er)fasst, werden die Sterbephasen in der mediäval-christlichen ars moriendi  als ein spirituelles Ringen geschildert. Der Mensch kämpft  - dem seinerzeitigen Weltbild gemäß - mit Engeln und Dämonen, die die letzten Versuchungen oder Prüfungen darstellen, d. h. heftige Emotionen "verkörpern" (cf. Hennezel und Leloup 2002:181). Ihre Überwindung führt zum Seelenheil, das in der Sterbestunde auf dem letzten Spiel steht. Auch hier wird geraten, Weltliches und Zeitliches (Sachen und Menschen wie Angehörige) vom in Agonie Liegenden fernzuhalten. Gebete mögen gesprochen, Gottes Erbarmen, Christus, Maria und alle Engel sollen angerufen, Bilder des Gekreuzigten und der seligen Jungfrau sollen gezeigt werden, die Beistand Leistenden mögen weiterhin Gebete vorsagen, auch wenn der Kranke keine mehr sprechen kann (cf. A. M./Laager 1996:226-9). Es geht damit gleich wie bei den buddhistischen Hilfestellungen darum, dass der Sterbende geistig ganz auf die kommende Welt ausgerichtet sei. Diese Analogien halte ich für ausgesprochen spannend, ihnen weiter nachzuspüren sei mir eine künftige Aufgabe (eine erste Sondierung in: Herbert 2004:2-4).

 

7. Als Exempel: spirituelle Hilfe für Sterbende im ("esoterischen") Shingon-Buddhismus

 

      Eine Hilfestellung für Patienten im terminalen Stadium sind angeleitete Vorstellungsübungen, die zu Entspannung führen, eine positive Einstellung fördern, Schmerz und seelische Pein lindern und auf die geistige Welt einstimmen sollen (cf. Satô 2002:114)[10]. 

      Ich möchte exemplarisch die von Sakô Takeshi vorgeschlagenen Übungen beschreiben, da sie einen interessanten Versuch einer "west-östlichen" Synthese bilden. Sakô findet die von Simonton (s. u.) entwickelten Visualisierungstechniken diversen Meditationsformen des esoterischen Buddhismus sehr ähnlich und versucht sie zu amalgamieren, kreativ zu adaptieren und für japanische Patienten zu re-arrangieren. Er findet es Ironie, dass im "Westen" im klinischen Bereich Meditationswege (buddhistische, Zen, Yoga) weit mehr Einsatz finden als in ihren Ursprungsgebieten (Sakô 2002:196).

      Die von Simonton entwickelte Methode arbeitet mit Tiefenentspannung, in der der gewünschte Zustand (der Gesundung) visualisiert wird. Dabei werden in der Vorstellung maligne (Krebs)Zellen zerstört und abgeführt. Mit eindrucksvollen Bildern wie z. B. den Leukozyten als gefräßigen Fischen sollen die schwachen und instabilen Krebszellen durch ein Heer von weißen Blutkörperchen angegriffen und unschädlich gemacht werden (Simonton, Matthews Simonton und Creighton 2001: 203 u. 200).

      Eine analoge Imaginationspraxis ist in Japan seit langem bekannt: in Hakuin's Werk "Yasen kanna" wird die Heilmeditation "nanso no hô" beschrieben[11]. Im Wesentlichen funktioniert sie wie folgt: der Übende stellt sich eine enteneigroße, weiche Masse vor, die aus einer milchigen, goldfarbenen Essenz besteht, der Wohlgeruch und gutes Aroma eigen ist. Diese butterartige, geistige Energiekugel visualisiert er über seinem Kopf, er lässt sie dann schmelzen, die Essenz durchdringt langsam und Wohlbefinden auslösend sukzessive den ganzen Körper bis in die letzten Poren. Sie diffundiert in alle Zellen, kreist im Leib und heilt alle üblen Stellen (Sakô 2002:214).

      Sakô schlägt nun vor, die eher aggressive Vorstellung vom Zerstören der Krebszellen durch eine sanftere zu ersetzen: man möge die instabilen Krebszellen so imaginieren, dass sie allmählich ihre Gestalt ändern, zu leuchten beginnen und sich in gesunde Zellen zurückverwandeln. Die Zellen werden goldfarben visualisiert (Hakuin!), dann purpur und schließlich als gesunde rote Blutkörperchen in die Zirkulation zurückgeführt (Sakô 2002:215). Als Variante können die Krankheitsherde vorgestellt und mit goldenem Licht erfüllt werden, sie ändern daraufhin die Farbe, werden durchscheinend, golden, schrumpfen endlich und gesunden. Auf diesen Alternativen aufbauend, gibt Sakô dann detaillierte Visualisierungsanweisungen, die mit esoterisch-buddhistischen Elementen angereichert sind. Diese mögen in der Praxis den Patientenbedürfnissen angepasst und kreativ gestaltet werden. Genau das macht Ôshita Daien in seiner Tätigkeit am Bett schwer und unheilbar Erkrankter[12].

      Ôshita Daien ist der Hauptpriester des Senkôji in Hida Takayama in der Präfektur Gifu. Er gehört der auf Kûkai (774-835) zurückgehenden Kôya-san Shingon-Schule an. Zugleich ist er ein Pionier, was den spirituellen Beistand von chronisch Kranken und Sterbenden anbelangt. Ôshita ist als "spiritueller Betreuer" in der Takakuwa-Klinik für innere Medizin angestellt. Seine Arbeit begann er als ehrenamtlicher Helfer. Die Klinik ist auf Dialyse-Patienten spezialisiert, die aus der ganzen Umgebung regelmäßig zur Blutwäsche kommen. Unter ihnen treten immer wieder Fälle von Krebs oder andere (teils altersbedingte) zum Tode hinführende Krankheiten auf. Seit 1999 hat Ôshita einen regulären Arbeitsvertrag als spiritueller Pflegebeistand[13]. Daneben wird er in seiner Region zu Patienten mit Krebs im Endstadium oder zu Sterbenden gerufen, um ihnen seelischen Beistand zu leisten. Ich habe mit ihm in seinem Tempel am 24./25. März und am 25./26. Juli 2003 längere Gespräche geführt.

      Ôshita versucht mit mehreren Methoden seinen Patienten die seelischen Schmerzen zu erleichtern. Er kennt die Tradition der rinjû gyôgi  gut und sieht deren Mittel, die er restrukturiert und der Gegenwart anpasst, als für Weiterentwicklung offene Angebote, die er patientenorientiert einsetzt (oder nicht). Dazu gehören: Aromatherapie, Mantra-Rezitation, Sutren-Singen, Atem- und Entspannungstechniken, Meditations- und Visualisationsübungen sowie "Musiktherapie" (letztere auch kombiniert in GIM = Guided Imagery and Music; vgl. Ôshita 2003b). Die Patientenorientierung gilt in radikaler Weise, sagt Oshita, er versuche "nach Aikidô-Prinzip" die Energien des Kranken aufzunehmen und ihnen entsprechend und der Augenblicksintuition folgend zu handeln. Bei der Auswahl von Musik z. B. berücksichtige er eingehend die Biographie, Vorlieben und Stimmungen des Patienten. Das Repertoire ist demgemäß variationsreich und geht von Volksmusik über klassische Musik bis hin zu buddhistischen hymnischen Gesängen (shômyô). Letztere singt Ôshita eigenstimmlich vor: allerdings nur auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten und wenn dieser einen persönlichen Bezug dazu (oder zur Religion) hat. Hier gelte es besonders sensibel vorzugehen und nichts aufzudrängen (beispielhaft beschreibt er das im Falle eines an Lungenkrebs Erkrankten: Ôshita 2003b).

      Ein an Darmkrebs erkrankter 50-jähriger Mann hatte im Rahmen von Lebensrückblicken und dem Hochkommen von Kindheitserinnerungen gemerkt, dass er immer gerne in Tempel gegangen war und Sutrengesänge eine beruhigende Wirkung auf ihn ausübten. Hier konnte Ôshita neben über den Atem gelenkten Entspannungsübungen und angeleiteten Visualisierungen auch buddhistische Instrumente (Glocken, Klangschalen, Gong, Trommel, Tschinellen) einsetzen und shômyô vorsingen. Der Patient berichtete, dass er sich erleichtert und wohl gefühlt habe dabei, so als würde er schweben. Diese "musiktherapeutische" Betreuung konnte Ôshita bis zwei Tage vor dem Ableben des Kranken leisten und weiterführend in der Trauerarbeit mit den Angehörigen einsetzen (Ôshita 2001). Ôshita bedient sich also - neben dem Wichtigsten: einfach präsent zu sein und zuzuhören - mehrerer "Techniken" und Mittel, um dem schwer Erkrankten bis ans Lebensende bei der Linderung seiner existentiellen Schmerzen zu assistieren. Ein historisch getreues, orthodoxes rinjû gyôgi hält er nur bei streng Gläubigen, die dies wünschen, für sinnvoll. Ôshita sieht seine Methoden aber durchaus als adaptierte, gegenwartsgerechte, kreativ weiterentwickelbare rinjû gyôgi, die teils genuin buddhistisch, teils religiös neutral gestaltet werden können.

 

8. Ausblick

 

      Palliativmedizinische Versorgung im Hospizgeist wird sich in Japan sicherlich noch vielfältig entwickeln. Es ist zu hoffen, dass ihre Prinzipien der Intention der Hospizbewegung folgend, in die Allgemeinmedizin und alle Institutionen des Gesundheits- und Pflegewesens diffundieren. Aber nicht nur institutionelle/r Ausbau und Verankerung, sondern auch die vermehrte Ermöglichung des Sterbens zu Hause zählt zu den dazugehörigen Visionen (2004 starben nur knappe 12 % der JapanerInnen daheim, durch eine Initiative des Gesundheitsministeriums und Förderung ambulanter Pflege soll dieser Anteil zukünftig mindestens verdreifacht werden: Asahi shimbun 11. Januar 2007).

      Die Anerkennung und Therapie von Schmerzen spiritueller Natur gehören zum Hospizideal. In Japan haben buddhistische Aktivisten unter der Bezeichnung "Vihâra" eine Bewegung gestartet, die neben buddhistisch inspirierten Palliativstationen auch den seelischen Beistand zu institutionalisieren sucht. Die Ausbildung von respektivem Fachpersonal wird in ein, zwei Dekaden Frucht tragen und darf für den japanischen Buddhismus füglich als "epochemachend" gelten (Ôshita 2003a:18). Es mag zu einer stärkeren Vernetzung von Medizin, Wohlfahrt und buddhistischer Religion führen und zu einer echten Reform letzterer, da sie damit weg vom Ritualismus und aus den Tempeln heraus und an die Stätten des Leidens geht (in diesem Sinne äußerte sich Ôshita mir gegenüber mehrfach). Dabei besinnt sie sich ihres gesellschaftlichen Auftrages und historischer Vorbilder in Theorie und Praxis. Zugleich geschieht eine Inkulturation der Hospizidee, die lokale Traditionen neu (er)findet und einbindet. Dies läßt noch spannende und spannungsreiche Entwicklungen erwarten, deren geistige Begleitung durch die Forschung sicherlich lohnend und ertragreich sein wird. 

 

 

 

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[1]Die Übersetzung beruht auf einer persönlichen Mitteilung vom 16. März 2003. Die Gesellschaft heisst jetzt "Tokyo - Sei to shi o kangaeru kai" und ist eine Neugründung vom Mai 1999. Ein Teil der alten Gesellschaft, die heute unter dem vorher gängigen Namen als NPO operiert, hat sich aufgrund divergenter Auffassungen zum Thema "Erziehung betreffend Sterben und Tod" abgespalten (cf. Deeken 1999:57)

[2]Dieses 1967 von Cicely Saunders gegründete Hospiz gilt als Wiege und Modellanstalt für die moderne Hospizbewegung. Daneben waren zwei andere Frauen maßgeblich daran beteiligt, eine neue Einstellung zu Sterbenden einzuleiten: Elisabeth Kübler-Ross und Mutter Theresa, eine "feminine Trinitität, die wesentliche religiöse und spirituelle Werte verkörpern, die weit über ihr vordringliches Anliegen, die fürsorgliche Pflege von Sterbenden, hinausgehen." (Fulton 1986:154)

[3]Der japanische Buddhismus ist in Sekten und Schulen aufgesplittert, wobei die Angehörigen (auch Mönche) einer Schule oft nicht wissen, was die anderen tun. Ein Gesamtüberblick fehlt mir. Durch meinen persönlichen Kontakt zu Ôshita Daien (siehe Abschnitt 7) beschränke ich mich hier und vorerst im wesentlichen auf Aktivitäten der Shingon-Schule (gehört zum tantrischen Mantrayâna; in Japan als mikkyô bezeichnet, weshalb sie in der Regel bei Übersetzungen mit dem Epitheton "esoterisch" versehen wird). Eine schöne deutsche Beschreibung der Praxis eines Vihâra-Mönches bietet Taniyama 2002/3.

[4]Eine Zehnjahresbilanz ihrer Aktivitäten kann von der Homepage des Honganji abgerufen werden (http://www2.hongwanji.or.jp/social/).

[5]Bei diesem ausgesprochen weit gefassten Begriffsumfang würde man im deutschen Sprachraum viel mehr von "existentiellen" statt spirituellen Schmerzen sprechen. Oft sind (psycho)soziale Probleme und Nöte drängender als spirituelle bzw. verschieben sich phasenweise die Prioritäten. Diesen Hinweis und viele wertvolle Ezzes mehr verdanke ich Martin Böker, Leiter des Helga Treichl Hospizes in Salzburg. 

[6]Gegen eine totale Zurückhaltung punkto Glaubensansichten des Patienten wird korrektiv bemerkt, dass der Betreuer bei psychisch schädigenden, negativen und pathologischen Auffassungen eingreifen soll und heilsamere Alternativen vorschlagen möge (Holden 1993:79).

[7]Die maßgebliche, hervorragend annotierte und kommentarflankierte Primärquellensammlung ist Kamii u. a. 1993, in der die nachfolgend genannten Texte von Zendô, Genshin, Kakuban, Ryôchû und Nichion zu finden sind. Sie sind jeweils auch in gegenwärtiges Japanisch transponiert. Darüberhinaus sind in diesem Werk noch obsukurere, hier nicht angeführte Quellentexte abgedruckt.

[8]"Nembutsu hat zwei Bedeutungen: I. Buddhânusmrti. Meditation über den Buddha. Das ist das so genannte kannen-nembutsu. II. Den Namen des Buddha anrufen. Das ist das so genannte shômyô-nembutsu. Seit der Zeit von T'an-luan (Donran) bezog sich der Ausdruck auf letzteres, und in der Mehrzahl der Fälle bezog es sich auf die Invokation des Namens von Amida mit der Formel "namu amida butsu", um im seinem Reinen Land wiedergeboren zu werden." (Iwano 1999:236) T'an-luan lebte von 476-542 und verfasste etliche Schriften zur Lehre vom Reinen Land.

[9] Der Brauch der fünffarbigen Kordel ist in China nicht als praktisch ausgeführt dokumentiert, wiewohl er in Japan dann sehr populär geworden ist (Kamii 1993:44)

[10]Seine Methode arbeitet mit der für den esoterisch-tantrischen Buddhismus wichtigen und das Universum symbolisierenden Sanskrit-Letter "a" und kann buchstäblich bis zum letzten Atemzug praktiziert werden (cf. Satô 2002). Aus Platzgründen beschreibe ich nur die von Sakô angeregten Techniken.

[11]Dazu auf Englisch und mehr zum Zenmeister Hakuin Ekaku (1686-1768) in: Stevens 1999 (hier: 92).

[12]Im Gespräch (vom 26. Juli 2003) bemerkte er, dass der Rückgriff auf Simonton nicht wirklich notwendig sei, da im esoterischen Buddhismus ein ausreichend großer Fundus an adaptierbaren Visualisierungstechniken existiere.

[13]Diese formale Positionierung ist von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit: "Die Ernennung und Gegenwart eines Seelsorgers ... ist ein Hinweis darauf, dass die Institution (an)erkennt, dass die Patienten in ihrer Obhut (und vielleicht auch das Personal) andere Bedürfnisse haben als nur physische, emotionale und psychologische." (Speck 1999:812; Hervorhebung von W. H.)